Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Elfter Jahrgang. 1895. (36)

114 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 23. —25.) 
sind über 390 Morgen. Vom Rest gehen wieder 340 Adjacentenkäufe ab. 
Es bleiben somit 914 Güter unter 30 Morgen, also etwa 35 Prozent. Das 
Bild der Thätigkeit im Jahre 1894 gegenüber den Vorjahren ist wesentlich 
anders geworden. Während in den früheren Jahren mit Rücksicht auf die 
Nachfrage nach kleinen Gütern solche in größerer Zahl gegründet wurden, 
hat die Generalkommission in den letzten Jahren ein besonderes Gewicht 
auf die mittlern Bauerngüter von 10 bis 25 ha gelegt. Während die 
Generalkommission bis Anfang 1894 erst 273 gegründet hatte, hat sie die- 
selben seitdem um 418 vermehrt, so daß jetzt 691 solcher Güter im Bezirk 
der Generalkommission Bromberg begründet find. Daß die Generalkom-= 
mission eine größere Anzahl kleinerer Güter gegründet hat, erklärt sich da- 
durch, daß diese Generalkommission in der Nähe großer Industriebezirke, 
wie Bromberg und Schneidemühl damit begonnen hat, Arbeiterstellen zu 
gründen, wo die Rentengutsbesitzer dauernd lohnende Beschäftigung finden 
und nebenbei auch ihr Rentengut bewirtschaften können. Dazu kommt noch 
eine Anzahl von Handwerkerstellen in den neugebildeten Gemeinden, die 
ebenfalls unentbehrlich waren. Es ist ferner der Vorwurf erhoben wor- 
den, daß die Generalkommission die größern Bauerngüter in kleine Renten- 
güter zerschlagen habe, namentlich in Hannover. In dieser Provinz sind 
nach dem Berichte der Generalkommission von Hannover im ganzen sechs 
Rentengüter errichtet, die sich auf vier Regierungsbezirke verteilen. Der 
Vorwurf ist also nicht gerechtfertigt. Ein weiterer Angriff ist gegen die 
zu hohe Taxe erhoben worden. Herr Dr. Paasche führte in der ersten 
Lesung aus, daß das Hektar in Ostpreußen durchschnittlich auf 805 M, in 
Westpreußen auf 904, in Posen auf 732 M geschätzt sei. Das ist ein Irr- 
tum. Der Taxpreis betrug im Jahre 1894 für das Hektar im Durchschnitt 
in Ostpreußen 743 M in Westpreußen 789, in Posen 705 M darin steckte 
aber der Wert aller übernommenen Gebäude und sämtlicher Leistungen des 
Gutes. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren kann man nicht behaupten, 
daß die Taxen im allgemeinen zu hoch ausgefallen seien, wenn auch in 
einzelnen Fällen Ueberschätzungen stattgefunden haben mögen. 
Der Gesetzentwurf wird einstimmig in 2. Lesung angenommen. 
(Annahme in 3. Beratung am 26. April.) 
23./25. April. (Reichstag.) Abänderungen des Zolltarifs 
(vgl. S. 27, 31). Kampfzölle gegen Spanien. 
Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung des Gesetzentwurfs 
betreffend die Abänderung des Zolltarifs in Verbindung mit der dritten 
Beratung der Allerhöchsten Verordnung betreffend die Erhebung eines Zoll- 
zuschlags für aus Spanien und den spanischen Kolonien kommende Waren 
vom 25. Mai 1894 nebst dem Antrage des Freiherrn v. Stumm (Rp.) 
und des Abg. Möller (nul.) betreffend Erweiterung der Retorfionsvoll- 
machten für den Bundesrat. 
Der Antrag Stumm-Möller wird gegen die Stimmen der Sozial-= 
demokraten und Freisinnigen angenommen (23. April). Mit derselben 
Majorität werden die Abänderungen des Zolltarifs genehmigt (26. April, 
Genehmigung in 3. Lesung 2. Mai), darunter die Resolution der Kom- 
mission zu Gunsten der Einführung eines Zolles auf Quebrachoholz mit 
den von den Abgg. Dr. Bachem und v. Salisch beantragten Zusätzen, 
nach welchen die für die chemische Industrie und die Färberei erforderlichen 
Gerbstoffe zollfrei bleiben sollen, desgleichen in 3. Beratung die Kampfzölle 
Legen Spanien. 
24. April. (Friedrichsruh.) Fürst Bismarck empfängt
	        
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