Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Elfter Jahrgang. 1895. (36)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 27.) 121 
eine republikanische Auffassung. Ich habe aber doch meinem alten Könige 
mit Liebe gehorcht. — — — — — — — Ich danke Ihnen, daß Sie 
mit mir diesen Rückblick in die heitere Zeit der Jugend anstellen und daß 
Sie mir durch das Denkzeichen, was Sie setzen wollen, einen Ausdruck 
Ihres Einverständnisses und Wohlwollens gewähren. Sie kommen im 
Namen der Korps, und wenn ich an mein Korpsverhältnis zurückdenke, so 
muß ich doch sagen, daß die schwarzen Punkte, die ich beim Zurückblicken 
in die Jugend finde, in meinem Korpsverhältnis liegen, ich hätte mehr ge- 
arbeitet, wenn ich nicht im Korps gewesen wäre und hätte weniger Schulden 
gemacht. Heutzutage kommt der Korpsstudent mit dem mehrfachen nicht 
aus, das ist eine betrübte Sache, daß sie zu sehr in Luxus ausarten. Wie 
ich in Göttingen war, da hatten die Meisten wenig über 300 Thaler Wechsel 
— 400 war schon über den Mittelstand und 600, 800 war das Allerhöchste, 
höhere gab es, glaub’ ich kaum. Wer dachte zu unserer Zeit an stylvolle 
Korpshäuser, die man jetzt hat. Mich haben die werigen Schulden, mit 
denen ich Göttingen verließ, jahrelang in üble Laune gebracht, und wenn 
ich mit derselben Vergnügungsfähigkeit heute studierte, so glaube ich, würde 
ich im Leben nicht los werden, was mich damals drückte. 
            27. April. (Bayern.) Urteil im Fuchsmühler Prozesse 
(vgl. 1894 S. 173, 199). 
Vom Landgericht Weiden werden 143 Angeklagte wegen Landfrieden- 
bruchs und Forstfrevels, bezw. Anstiftung hiezu zu 14 Tagen bis 4 Monate 
15 Tage Gefängnis verurteilt. 3 Personen werden nur wegen Forst- 
frevels zu je 683 Mark 60 Pfg. verurteilt. 5 Personen, die nur wegen 
Auflaufs angeklagt waren, werden freigesprochen. Die höchste Strafe erhält 
7 Bürgermeister Josef Stock, zwei andere Rädelsführer je 4 Monate 
ängnis. 
27. April. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Ankauf in- 
ländischer Erzeugnisse durch Staatsbetriebe. 
Abg. Gamp (frk.) und Gen. beantragen: Die Regierung zu er- 
suchen, Anordnung zu treffen, daß die Staatsbetriebe beim Ankauf insbe- 
sondere von land= und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen die inländischen 
Erzeugnisse bevorzugen, bezw. soweit es angängig ist, die Lieferung in- 
ländischer Erzeugnisse vorschreiben. Der Antrag solle ein Mittel zur Be- 
kämpfung der landwirtschaftlichen Notlage sein; die Staatsbetriebe dürften 
nicht nur darauf ausgehen, möglichst billig zu kaufen, sondern auch die 
heimische Produktion zu fördern. Namentlich die Militärverwaltung sollte 
deutsches Getreide und deutsche Butter kaufen, die Eisenbahnverwaltung nur 
einheimisches Holz zu den Schwellen verwenden. Minister der öffentlichen 
Arbeiten Thielen: Der Antrag sei ihm sympathisch, aber die deutsche Forst- 
wirtschaft habe anderwärts höhere Preis erzielen können, so daß sie ihr 
Holz der Eisenbahnverwaltung noch gar nicht angeboten hätte. Landwirt- 
schaftsminister v. Hammerstein: Der Kriegsminister habe erklärt, daß die 
Landwirte bei seinen notwendigen Anforderungen oft versagt haben, in 
Bezug auf die Qualität, z. B. die Trockenheit des Getreides, Beschaffenheit 
der Konserven ect. Was der einzelne Landwirt nicht kann, kann aber die 
Genossenschaft, die Landwirte müssen sich genossenschaftlich organisieren, um 
qualifizierte Waare liefern zu können. Auch die Landwirtschaftskammern 
müssen sich mit diesen Fragen beschäftigen. Ferner verspricht der Minister, 
es sollten Versuche mit großen Kornhäusern gemacht werden, zunächst in 
Mannheim, Köln, Stettin, vielleicht in Berlin. Hierauf wird der Antrag 
angenommen. 
 
	        
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