124 Das Deutsche Reich und seine eizelnen Glieder. (Mai 2.—7.)
jedem einzelnen dafür zu danken. Ich bitte deshalb meine Freunde. für
ihre wohlwollende Begrüßung und Wünsche meinen herzlichen Dank in
dieser Veröffentlichung entgegenzunehmen und verbinde damit den Ausdruck
der Hoffnung, daß sie das Ausbleiben einer schriftlichen Antwort ent-
schuldigen werden v. Bismarck.“
2. Mai. (Reichstag.) Gesetzentwurf, betr. die Abänderung
des Zollvereinigungsvertrages von 1867 über die Weinsteuer.
Den Entwurf, der den Kommunen die Besteuerung des Weines er-
möglichen soll, begründet Staatssekretär Graf v. Posadowsky: Der Wein
dürfe jetzt nur in den eigentlichen Weingegenden besteuert werden, seine
Besteuerung in anderen Landesteilen sollte aber ermöglicht werden, um den
Kommunen in ihren finanziellen Schwierigkeiten Hilfe zu bringen. Die
Bedenken, die gegen das Reichs-Weinsteuergesetz geltend gemacht wurden
und zur Ablehnung desselben führten, könnten hier nicht geltend gemacht
werden. Die Kommunen werden sich sicher in der kommunalen Besteuerung
den lokalen Bedürfnifsen anpassen; der vorgeschlagene Satz in maximo 10
vom Hundert des Werts oder 5-M pro Hektoliter sei kein hoher. Es soll
den Kommunen nur ein Recht gegeben werden, auf das viele von ihnen
Wert legen. Abg. Schädler (Z.) hegt Mißtrauen gegen die gerechte Be-
steuerung durch die Kommunen. Abg. Schmidt= Bingen (frs. Vp.) fürch-
tet, daß der Winzer die Steuer werde tragen müssen, ebenso Abg. Bürk-
lin (nl.), Abg. Limburg-Stirum (kons.) für die Vorlage. Sie wird
an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.
3. Mai. Der Reichstag bewilligt 1700 000 M zur Feier
der Einweihung des Nordostsee-Kanals.
4. Mai. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Sozialpolitische
Vorlagen über Wohnungen und Verpflegungsstationen.
Der Gesetzentwurf, betr. die Bewilligung von Staatsmitteln zur
Verbesserung der staatlichen Wohnungen von staatlich beschäftigten
Arbeitern und gering besoldeten Staatsbeamten wird an eine Kommission
verwiesen, nachdem er im Plenum günstige Aufnahme gefunden hatte. Ebenso
wird an eine Kommission verwiesen der Gesetzentwurf über die Verpfle-
gungsstationen, der gefährdete Existenzen vor dem Untergange bewahren
und der Vagabondage entgegentreten soll. Die Vorlage wird im Plenum
sehr verschieden beurteilt.
7. Mai. (Berlin.) Generaloberst v. Pape, 82 Jahre
alt, f. Er befehligte 1870 die erste Garde-Infanterie-Division und
zeichnete sich u. a. bei St. Privat aus (vgl. S. 5).
5. Mai. (Friedrichsruh.) Fürst Bismarck empfängt eine
Abordnung Ostfriesen und erwidert auf ihre Ansprache folgendes
über die Beziehungen zwischen Preußen und Ostfriesland:
Unsere früheren Beziehungen waren ja nur ein Ausdruck der Zu-
sammengehörigkeit, die von Natur zwischen allen Deutschen oder doch min-
destens zwischen der niederdeutschen Bevölkerung der Seeküsten, was man
hier „de Waterkant“ nennt (Bravo !), von der Ems bis zur Weichsel jeder-
zeit bestanden hat. Wir sprechen alle dasselbe Plattdeutsch mit wenig
dialektischem Unterschiede in Ostfriesland und Hinterpommern. Wir find
aber lange getrennt gewesen durch politische Grenzen und getrennt durch