Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Elfter Jahrgang. 1895. (36)

Frankreich. (April 27.—Mai 14.) 255 
die zu verschiedenen Deutungen Anlaß geben können. Ihr bringt in einen 
einzigen Satz die ägyptische und die englische Einflußsphäre zusammen; sagt 
uns doch wo Aegypten aufhört und wo die Einflußsphäre beginnt und 
wie nach eurer Ansicht die fernere Gestaltung dieser Gebiete geschaffen werden 
2E Bis jetzt habt ihr uns nicht auseinandergesetzt, wozu wir unsere Zu- 
timmung geben sollen. Unter solchen Bedingungen seid nicht erstaunt, daß 
wir unsere Einwilligung verweigern und unsere Freiheit bewahren.“ Auf 
so klare und berechtigte Fragen, fuhr der Minister fort, habe nun die fran- 
zösische Regierung eine bestimmte Antwort nicht erhalten können. Wenn 
er die englische Regierung drängte, zu antworten, so seien die Unterhand- 
lungen abgebrochen worden, und zwar nicht von der französischen Regierung. 
Aber wenn man sich über einen anderen Punkt, Sierra Leone, habe ver- 
ständigen können, so beweise dies, daß diese Fragen, so verwickelt sie auch 
wären, sich bei gegenseitigem guten Willen ihre Lösung herbeizuführen, lösen 
ließen. Zwischen Frankreich und England gebe es keine Frage des Angriffs 
oder heftigen Drängens, da es sich um so verwickelte Fragen handle, in 
denen so viele verschiedene Wege der Lösung ins Auge gefaßt werden könnten. 
Kein Mensch könne daran denken, diesen ersten, auf unzuverlässigen Karten 
flüchtig skizzierten Abgrenzungen einen so unabänderlichen Charakter zu 
geben, wie ihn durch den Gang der Geschichte die Grenzen der europäischen 
Staaten besitzen. Ebenso könne niemand das Vorgehen mutiger Männer, 
die zur Erforschung der neuen Ländergebiete auszögen, verhindern wollen. 
Wenn aber die Zeit gekommen sein werde, die Gestaltung jener fernen 
Gegenden endgültig zu bestimmen, dann werde er unter denen sich befinden, 
die unter Achtung der Rechte des Sultans und des Khedivs und unter 
Sicherstellung dessen, was jedem einzelnen von beiden nach seinen Leistungen 
zukomme, der Ansicht seien, daß die beiden großen Nationen die geeignete 
Form finden würden, um ihren Interessen und ihren gemeinsamen Wünschen 
für Civilisation und Fortschritt zu genügen. 
27. April. (Epinal.) Dammbruch. 
Der Damm, welcher das bedeutende Wasserreservoir des Ostkanals 
in Bousey bei Epinal schützte, bricht in einer Länge von 100 Metern. 
Zahlreiche Gebäude werden fortgerissen, die Eisenbahnlinien überschwemmt, 
vier Ortschaften zum Teil zerstört. 
Ende April. (Paris.) Ende eines großen Ausstandes der 
Omnibuskutscher. Die Ausständigen unterliegen. 
14. Mai. (Deputiertenkammer.) Bupdget für 1896. 
Die Gesamteinnahmen sind auf 3392 Millionen Francs, 32 Milli- 
onen weniger als im Budget von 1895, veranschlagt. Unter den neuen 
Mehrausgaben befinden sich 10 Millionen für das Kriegsbudget und 2 ⅛/ 
Millionen für das Nordgeschwader. Das 55 Millionen betragende Defizit soll 
aus neuen, bzw. aus den reformierten Steuern gedeckt werden, und zwar sind 
veranschlagt: 1. aus der reformierten Erbschaftssteuer 25 Millionen; 2. aus 
der Dienstbotensteuer 10 Millionen (für jeden Dienstboten sollen, je nach 
ihrer Anzahl und nach der Bedeutung der Gemeinde, 8 bis 90 Fr., für 
weibliche Dienstboten soll die Hälfte der Taxe bezahlt werden); 3. aus der 
Erhöhung auf 1 ¼ bis 2 péCt. der Steuer auf ausländische, besonders auf 
an der Börse nicht notierte Werte 14 Millionen; und 4. aus der Erhöhung 
der Steuer auf Spielkarten 1200 000 Francs. Von den für die Expedition 
nach Madagaskar bewilligten 60 Millionen sind bisher 37 ½ Millionen 
verausgabt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.