26 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 22.)
für katholische ausgeworfen sei und fordert die Wiederherstellung der katho-
lischen Abteilung im Kultusministerium.
Ministerpräsident Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe: Der Herr
Vorredner hat im Eingang seiner Rede über die Gerüchte gesprochen, welche
über Ministerveränderungen kursieren, und hat sein Bedauern darüber aus-
gedrückt, daß diesen Gerüchten nicht entschiedener entgegengetreten werde.
Es ist, meine Herren, sehr schwer, den zahlreich auftretenden Gerüchten
immer entgegenzutreten; um aber dem Wunsche des Herrn Vorredners in
einiger Beziehung zu entsprechen, will ich das Wort ergreifen, um Ihnen
meine Ansicht über die bestehenden und kursierenden Gerüchte auszusprechen.
Ehe ich das aber thue, muß ich mich zunächst wenden gegen einige Aeuße-
rungen des Abg. Richter in der gestrigen Sitzung, der ich beizuwohnen
zu meinem Bedauern verhindert war. Der Herr Vizepräsident des Staats-
ministeriums hat bereits gestern darauf geantwortet; indessen glaube ich
aber doch verpflichtet zu sein, einige Worte beizufügen, um so mehr als
der geehrte Herr Abgeordnete mir eine mehr ornamentale Stellung ange-
wiesen hat mit der gewohnten Kourtoisie, die ihm eigen ist. (Heiterkeit.)
Herr Abgeordneter Richter hat sich beschwert über den Mangel an Soli-
darität im Staatsministerium. Der Herr Vizepräsident des Staatsmini-
steriums hat schon gestern dargethan, wie unbegründet dieser Vorwurf ist.
Ich habe dazu nur zu bemerken, daß allerdings bei der Uebernahme meines
Amtes und bei der Bildung des Ministeriums nicht nach der in parla-
mentarisch-konstitutionellen Staaten üblichen Schablone verfahren worden
ist. Indessen haben bei meinem Eintritt Besprechungen zwischen mir und
den Ministern stattgefunden, die zu demselben Ziele führten und die be-
wiesen, daß wir in prinzipiellen Fragen in unseren Anschauungen überein-
stimmten. Seitdem glaube ich nicht, daß die Regierung Anlaß zu der An-
nahme gegeben hat, sie sei nicht einig und es beständen in ihrem Schooße
Meinungsverschiedenheiten. Allerdings können ja in einem Kollegium nicht
alle Mitglieder derselben Ansicht sein; aber wir bemühen uns, in den Be-
ratungen des Staatsministeriums unsere Meinungsverschiedenheiten auszu-
gleichen, und wenn wir dann mit Beschlüssen an die Oeffentlichkeit treten,
so sind wir einig geworden. Der Herr Abgeordnete Richter hat auch von Ge-
rüchten über mögliche Ministerwechsel und ähnliches und über die Unsicherheit
unserer Zustände gesprochen. Ich muß die Schuld an diesen Gerüchten von
mir ablehnen. In der That kurfieren Gerüchte von Ministerveränderungen
zahlreich, sie treten jeden Tag auf. Wie entstehen nun diese Gerüchte? Ich
will Ihnen sagen, wie ich die Sache ansehe. Es gibt in Preußen viele
Staatsmänner oder solche, die sich dafür halten. (Heiterkeit.) Diese Staats-
männer, die unbeschäftigten zumal, haben gute Freunde, die nicht begreifen
können, daß der ihnen befreundete Staatsmann noch nicht die Stelle ein-
nimmt, für die sie ihn geeignet halten; wie die Engländer sagen, daß the
right man noch nicht on the right place sitze. Das kränkt sie, und was
thun sie nun, diese Freunde? Sie geben zu einem befreundeten Journalisten
und wer ist in unserer Zeit nicht mit einem Journalisten befreundet?
(Heiterkeit.) Sie sagen ihm dann nicht etwa: Ich wünschte, daß mein
Freund X Minister oder Botschafter würde, sondern sie sagen: Mein Freund
X wird demnächst Minister oder Botschafter. Diese Nachricht — so meinen
sie — könnte doch einmal an maßgebender Stelle gelesen werden und eine
gewisse Wirkung ausüben. Der befreundete Journalist, dem diese Nachricht
gebracht worden ist und dessen Geschäft es mit sich bringt, sensationelle
Nachrichten zu veröffentlichen, eilt dann nach Hause und läßt die Nachricht
schleunigst drucken; denn etwas Sensationelleres als die Abschlachtung eines
Ministers oder etwa eines Botschafters gibt es nicht. (Heiterkeit.) Und so