Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Elfter Jahrgang. 1895. (36)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 27.) 29 
27. Januar. (Kaiserliche Stiftungen.) Anläßlich seines 
Geburtstages erläßt der Kaiser folgende Kabinetsordres: 
An Mein Heer! 
Zum fünfundzwanzigsten Male kehren die Gedenktage des großen 
Krieges wieder, der, dem Vaterlande aufgedrungen und nach einem Sieges- 
zuge ohne Gleichen zum ruhmreichen Ende geführt, Deutschlands Sehnen 
erfüllt und — als herrlichsten Lohn für seine Hingabe — in dem Bunde 
seiner Fürsten und Stämme die unerschütterliche Grundlage für seine Größe 
aund Wohlfahrt geschaffen hat. Mit bewegtem Herzen preise Ich die Gnade 
des Allmächtigen, daß er unsere Waffen in solchem Maße gesegnet hat. 
Teilnahmsvoll gedenke Ich Derer, welche in dem opferreichen Streite für 
Deutschlands Ehre und Selbständigkeit freudig ihr Leben dahingegeben 
haben, und sage erneut allen Denen Dank, welche zur Erreichung dieses 
Zieles mitgewirkt haben. Besonders richtet sich aber Mein Dank an Mein 
Heer, welches mit den Truppen Meiner erhabenen Bundesgenossen in helden- 
mütiger Tapferkeit gewetteifert hat: unauslöschlich glänzen seine Thaten in 
den Büchern der Geschichte, unverwelklich ist der Ruhmeskranz, den es um 
seine Fahnen gewunden hat. Ihm gebührt darum vor Allen die Pflicht, 
das Gedächtnis auch in den Geschlechtern heilig zu halten, welche die Früchte 
seiner Siege genießen. Ich bestimme deshalb, um zugleich den Truppen 
ein wahrnehmbares Zeichen ihrer stolzen Erinnerungen zu gewähren, daß, 
so oft in der Zeit vom 15. Juli dieses Jahres bis zum 10. Mai des 
kommenden Jahres die Fahnen entfaltet werden, sämtliche Fahnen und 
Standarten, denen Mein Herr Großvater, des großen Kaisers und Königs 
Wilhelm I. Majestät, für die Teilnahme an diesem Kriege eine Auszeichnung 
verliehen hat, mit Eichenlanb geschmückt werden und die ersten Geschütze 
derjenigen Batterien, welche in ihm gefochten haben, Eichenkränze tragen. 
Möge Mein Heer stets eingedenk bleiben, daß nur Gottesfurcht, Treue und 
Gehorsam zu Thaten befähigen, wie die waren, welche seine und des Vater- 
lands Größe schufen! 
Berlin, den 27. Jannar 1895. 
                                                                                                            Wilhelm. 
Ein Vierteljahrhundert ist nahezu verflossen, seidem das deutsche 
Volk, dem Ruf seiner Fürsten folgend, sich in Einmütigkeit erhob, um 
fremden Angriff abzuwehren, und in glorreichen, wenn auch mit schweren 
Opfern erkämpften Siegen die Einheit des Vaterlandes und die Wieder- 
begründung des Reiches errang. Meine Haupt= und Residenzstadt Berlin 
hat an der Entwickelung, welche dem deutschen Städtewesen dadurch be- 
schieden ward, reichen Anteil genommen, und sind die städtischen Behörden 
mit Hingebung und Erfolg bemüht gewesen, die kommunalen Einrichtungen 
der Stadt ihrer Stellung im Reich entsprechend würdig auszugestalten. 
Als Zeichen Meiner Anerkennung für die Stadt und zur Erinnerung an 
die ruhmreiche Vergangenheit unseres Vaterlandes will Ich daher einen 
bleibenden Ehrenschmuck für Meine Haupt= und Residenzstadt Berlin stiften, 
welcher die Entwickelung der vaterländischen Geschichte von der Begründung 
der Mark Brandenburg bis zur Wiederaufrichtung des Reichs darstellen 
soll. Mein Plan geht dahin, in der Siegesallee die Marmor-Standbilder 
der Fürsten Brandenburgs und Preußens, beginnend mit dem Markgrafen 
Albrecht dem Bären und schließend mit dem Kaiser und König Wilhelm I., 
und neben ihnen die Bildwerke je eines, für seine Zeit besonders charakte- 
ristischen Mannes, sei er Soldat, Staatsmann oder Bürger, in fortlaufen- 
der Reihe errichten zu lassen. Die Kosten der Gesamtausführung will Ich 
auf Meine Schatulle übernehmen. Indem Ich Mir die weiteren Bestim-
	        
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