Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 25.—27.) 57
Norm überschritten sei. Geh. Finanzrat Germar bestreitet, daß die Norm
von zwei Hilfslehrern an den höheren Schulen überschritten worden sei,
wenn auch an einzelnen Schulen mehr Hilfskräfte vorhanden sein mögen.
Im Großen und Ganzen könne man sagen, daß die Verhältnisse gegen
früher sich erheblich gebessert haben, denn es gebe nur wenige Hilfslehrer,
welche keine Remuneration erhalten. Die Staatsregierung sei durchaus in
Uebereinstimmung mit den Wünschen des Hauses in dieser Sache verfahren.
Geh. Rat Wehrenpfennig führt statistisches Material über die Lage der
Lehrer an: Es sind augenblicklich 1565 Hilfslehrer im ganzen vorhanden; 277
an staatlichen und 428 an nichtstaatlichen Lehranstalten sind mit einer
Remuneriation von 15—1800 M beschäftigt, 205 mit weniger; 193 sind
gegen Remuneration an Mittelschulen und ähnlichen nichtöffentlichen Schulen
eschäftigt; 147 sind nicht beschäftigt, weil sie ihren Wohnort nicht ver-
lassen wollten und in der finanziellen Lage waren, noch warten zu können.
Es bleiben nur 4 500 Hilfslehrer übrig, welche anderweitig untergebracht
sind, zum Teil als Hauslehrer im Auslande u. s. w. 50—860 sind in den
einzelnen Provinzen ohne Beschäftigung. Die große Mehrzahl der Hilfs-
lehrer ist also untergebracht und in 4 Jahren ungefähr wird von einem
Notstande nicht mehr die Rede sein, von der Rheinprovinz z. B. kann man
das jetzt schon sagen.
In der weiteren Debatte verlangen die Abgg. Wetekamp (fsri.
Vg.) und Dittrich (3.) Gleichstellung der Lehrer mit den Richtern, Abg.
Gr. Moltke (fr.kon#.) wünscht eine schnellere Anstellung, Abg. Sattler
(nl.) möchte die Hilfslehrer am liebsten beseitigen, was Geh. Rat Germar
für unmöglich erklärt.
(Vgl. zu dieser Frage „Preuß. Jahrbücher" Bd. 80. S. 168,
378, 553).
25. Februar. (Königsberg.) Der ostpreußische Provinzial-
landtag beschließt mit 44 gegen 23 Stimmen die Errichtung einer
Landwirtschaftskammer.
26.—27. Februar. Der Kaiser reist nach Wien zum Be-
gräbnis des Erzherzogs Albrecht.
27. Februar. (Reichstag.) Anträge Auer, Colbus, Hitze.
Judenfrage.
Die Anträge Auer, Colbus und Genossen über die Aufhebun
des Diktaturparagraphen (vgl. S. 32) werden bei außerordentlich schwa
besetztem Hause angenommen. Hierauf wird der Antrag Hihe (vgl. S. 48)
nach einigen Bemerkungen der Abgg. Molkenbuhr (Soz.) und Schall
(kons.) angenommen.
Es folgt die Beratung des Antrages der Abgg. v. Hammerstein
und v. Manteuffel auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs, nach welchem
Israeliten, die nicht Reichsangehörige sind, die Einwanderung über die
Grenzen des Reiches untersagt wird, in Verbindung mit der ersten Beratung
des von den Abgg. Liebermann von Sonnenberg, Zimmermann und
Genossen eingebrachten Gesetzentwurfs, der außerdem der Regierung die Be-
fugnis erteilt, ausländische Juden, die nicht ein selbständiges Gewerbe be-
treiben, auszuweisen. Abg. Jacobskötter (kons.): Deutschland bedürfe
keiner Einwanderung. Wir wollen die Einwanderung fremder Juden hin-
dern, weil wir mit den im Lande bereits befindlichen die Erfahrung gemacht
haben, daß sie auf das gesamte öffentliche Leben nicht günstig eingewirkt,