Das Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 8.) 7
Durch die Dienstalterszulagen ist nicht bloß in materieller, sondern auch
moralischer Beziehung fast für alle Beamtenkategorien gesorgt worden und
bezüglich des Restes wird in dieser Vorlage dafür gesorgt. Vor einigen
Jahren sind 3700 neue etatsmäßige Stellen für die Subalternbeamten ein-
gerichtet worden, und die Aufrückungsverhältnisse für die Diätarien günstig
gemacht worden. Eine Million hatten wir im Vorjahre in Aussicht ge-
nommen für die Zusammenstellung der Assistenten mit den Sekretarien in
eine Beamtenkategorie. Selbst in unglücklichen Jahren haben wir noch
immer das Gefühl gehabt, daß sich die allgemeine Lebenshaltung aller Be-
völkerungsklassen so geändert hat, daß es dringend notwendig ist, soweit
wie möglich wenigstens die schreiendsten Mißstände in dieser Hinsicht zu
beseitigen. Nun endlich können wir mit Freude aussprechen, daß die Mög-
lichkeit gegeben ist, dieses schwierige Werk zum vollen Abschluß zu bringen.
Das Staatsministerium glaubt mit Zustimmung aller Parteien, es sei nicht
mehr an der Zeit, hier nur mit Stückwerk vorzugehen, sondern im Zu-
sammenhang die mittleren und einen erheblichen Teil der oberen Beamten-
klassen an dieser Aufbesserung teilnehmen zu lassen. Ich sage, einen Teil
der oberen Beamten; als Grundsatz ist dafür ausgestellt, daß Beamte,
welche mehr als 12000 „K. Gehalt haben, an dieser Aufbesserung nicht teil-
nehmen. Nur bezüglich einiger weniger Beamten ist dabei eine Ausnahme
gemacht, insbesondere für die Unterstaatssekretäre zur Gleichstellung mit
denselben Beamten im Reiche. Ebenso sind einigen Beamten, wie den
Regierungspräsidenten, weniger Gehaltsaufbesserungen als vielmehr Re-
präsentationszulagen gegeben, weil wir verhüten wollen, daß bei den großen
Ausgaben dieser Beamten in ihrem Amte diese Beamtenstellen nur den
reichen Leuten gegeben werden und eine plutokratische Richtung dadurch in
die Verwaltung hineinkommt. Der Grundsatz, daß Beamte mit über 12000-“
Gehalt nicht an der Verbesserung teilnehmen, entstammt der Anschauung,
daß wir den Beamten schuldig find zu geben, aber auch nicht mehr, die
Möglichkeit einer standesgemäßen Lebenshaltung nach den gegebenen Zeit-
verhältnissen und einer standesgemäßen Erziehung ihrer Kinder. Die Be-
amten dürfen nicht verlangen, daß ihre Bezüge dazu dienen können, Ver-
mögen anzusammeln. Die Beamten haben ein festes Gehalt, für ihr Alter
ist gesorgt, für ihre Witwen und Waisen ist gesorgt; sie können keinen
Bergleich anstellen mit den Einnahmen von Leuten, die im gewerblichen
Leben stehen, von allen Konjunkturen abhängen und trotz aller fleißigen
Arbeit nicht gesichert sind wie unsere Beamten. Die Gelder müssen be-
messen werden unter Berücksichtigung der nicht zu vermeidenden standes-
mäßigen Ausgaben. Diese Gehaltsaufbesserung betrifft 73.500 Beamte.
Durchschnittlich beträgt sie 10 Proz. Diese Vorlage ist der Abschluß, aber
auch die Fortsetzung eines vom Hause genehmigten Planes. Wollten wir
hier auch an die Unterbeamten denken, so würden wir die ganze Vorlage
in Verwirrung bringen. Dieses Werk muß erst rein abgeschlossen sein,
wir würden ihm sonst schaden und den Unterbeamten nicht nützen. Es ist
ein in den Vorstadien schweres Werk gewesen. Es haben schwierige Ver-
handlungen zwischen den einzelnen Ministerien stattgefunden; es beruht auf
Kompromissen, auf gegenseitigen Zugeständnissen. Man hat aber sehr wohl
begriffen, wie gefährlich es ist, wenn man eine Einigung über ein so großes
System erreichen will, an den Einzelheiten zu scharf zu rütteln. Das
Staatsministerium und die einzelnen Minister haben sich deshalb eine große
Reserve auferlegt, und wir können nur hoffen und wünschen, daß das
Haus diesem Beispiele folgen wird. Die einzelnen Beamten vertreten ihre
Interessen durch Petitionen, mündliche Reden an Abgeordnete und durch
die Presse. Man kann das ja auch den Beamten nicht verdenken, obwohl