94 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 12.—17.)
Am 10. Mai wird das Gesetz in dritter Beratung angenommen, nachdem
§ 14 folgendermaßen formuliert ist: „Witwengeld wird bis zur Höhe von
420 M, das Waisengeld für Halbwaisen bis zur Höhe von 84 M, für
Vollwaisen bis zur Höhe von 140 M jährlich aus der Staatskasse gezahlt."
12. Mai. Das Bayerische Abgeordnetenhaus genehmigt
das Gesetz über die Ablösung der Steuer-, Umlagen- und Zoll-
freiheit der Standesherren. Die Sozialdemokraten verlangen ein-
fache Aufhebung und stimmen gegen das Gesetz.
13. Mai. Das Preußische Herrenhaus genehmigt das
Gesetz über die Feier des Karfreitags, wonach bemerkbare oder
geräuschvolle Arbeiten an diesem Tage verboten werden. Fürst-
bischof Kopp hatte sich dagegen ausgesprochen im Namen der
Katholiken. — In evangelischen Kreisen findet das Gesetz scharfen
Widerspruch.
13. Mai. (Frankfurt a. M.) Der Kongreß der Gewerk-
schaften Deutschlands faßt folgenden Beschluß über die Arbeits-
vermittlung:
„Die gewerkschaftliche Arbeitsvermittlung ist ein wertvolles Mittel
zur Hebung der Lage der Arbeiter und zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen
Existenz. Der Kongreß hält deshalb nach wie vor an dem grundsätzlichen
Standpunkt fest, daß der Arbeitsnachweis den Arbeiterorganisationen ge-
bührt. Die Mitwirkung von Staat und Gemeinde bei der Arbeitsvermitt-
lung kann deshalb nur darauf beschränkt sein, die Mittel für die dazu
notwendigen Einrichtungen und deren Erhaltung zur Verfügung zu stellen.
Der Kongreß erkennt dagegen an, daß es unter den gegenwärtig bestehenden
Verhältnissen an manchen Orten für eine Reihe von Berufen von Vorteil
sein kann, sich an kommunalen Arbeitsnachweisen zu beteiligen.“ Für diese
wird dann gefordert Verwaltung durch eine in gleicher Zahl von den
Arbeitgebern und Arbeitnehmern je in freier Wahl gewählten Vertretern
zusammengesetzte Kommission unter Leitung eines unparteiischen Vor-
sitzenden.
16. Mai. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Ablehnung
der Kanalvorlage in der Kommission.
§ 1 Abs. 1, betreffend den Bau des Schiffahrtskanals vom Rhein
bis Dortmund, wird mit 17 gegen 11 Stimmen abgelehnt, ebenso der
Zentrumsantrag, statt der Lipper Linie die Emscher Thallinie zu bauen,
mit 19 gegen 9 Stimmen. Der 2. Absatz, betreffend die Ergänzungsbauten
des Dortmund-Ems-Kanals, wird mit 18 gegen 10 Stimmen abgelehnt;
mit demselben Stimmenverhältnis der Absatz 3 des § 1, betreffend den
Bau des Dortmund-Ems-Elbe-Kanals. Somit ist der ganze § 1 von der
Kommission abgelehnt und die folgenden §§ werden mit 14 gegen 14 Stimmen
abgelehnt.
17. Mai. (Wiesbaden.) Der Kaiser bringt folgenden
Trinkspruch auf das Füsilierregiment v. Gersdorff aus:
„Ich danke dem Offizierkorps im Namen Meiner erlauchten Mutter,
des hohen Chefs des Regiments, für die durch den Kommandeur zum Aus-