Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 2.) 97
Teilnahme an Vereinigungen oder Verabredungen, die eine Einwirkung
auf Arbeits- oder Lohnverhältnisse bezwecken, zu bestimmen oder von der
Teilnahme an solchen Vereinigungen oder Verabredungen abzuhalten, wird
mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe bis zu
1000 Mark zu erkennen.
§ 2. Die Strafvorschriften des § 1 finden auch auf denjenigen An-
wendung, welcher es unternimmt, durch körperlichen Zwang, Drohung, Ehr-
verletzung oder Verrufserklärung
1. zur Herbeiführung oder Förderung einer Arbeiteraussperrung Arbeit-
geber zur Entlassung von Arbeitnehmern zu bestimmen oder an der
Annahme oder Heranziehung solcher zu hindern,
2. zur Herbeiführung oder Förderung eines Arbeiterausstandes Arbeit-
nehmer zur Niederlegung der Arbeit zu bestimmen oder an der An-
nahme oder Aufsuchung von Arbeit zu hindern,
3. bei einer Arbeiteraussperrung oder einem Arbeiterausstande die
Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zur Nachgiebigkeit gegen die dabei ver-
tretenen Forderungen zu bestimmen.
§ 3. Wer es sich zum Geschäfte macht, Handlungen der in §§ 1, 2
bezeichneten Art zu begehen, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten
bestraft.
§ 4. Dem körperlichen Zwang im Sinne der §§ 1 bis 3 wird die
Beschädigung oder Vorenthaltung von Arbeitsgerät, Arbeitsmaterial, Arbeits-
erzeugnissen oder Kleidungsstücken gleichgeachtet.
Der Drohung im Sinne der §§ 1 bis 3 wird die planmäßige Ueber-
wachung von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Arbeitsstätten, Wegen, Straßen,
Plätzen, Bahnhöfen, Wasserstraßen, Hafen- oder sonstigen Verkehrsanlagen
gleichgeachtet.
Eine Verrufserklärung oder Drohung im Sinne der §§ 1 bis 3 liegt
nicht vor, wenn der Thäter eine Handlung vornimmt, zu der er berechtigt
ist, insbesondere wenn er befugterweise ein Arbeits- oder Dienstverhältnis
ablehnt, beendigt oder kündigt, die Arbeit einstellt, eine Arbeitseinstellung
oder Aussperrung fortsetzt, oder wenn er die Vornahme einer solchen Hand-
lung in Aussicht stellt.
§ 5. Wird gegen Personen, die an einem Arbeiterausstand oder
einer Arbeiteraussperrung nicht oder nicht dauernd teilnehmen oder nicht
teilgenommen haben, aus Anlaß dieser Nichtbeteiligung eine Beleidigung
mittels Thätlichkeit, eine vorsätzliche Körperverletzung oder eine vorsätzliche
Sachbeschädigung begangen, so bedarf es zur Verfolgung keines Antrags.
§ 6. Wer Personen, die an einem Arbeiterausstand oder einer
Arbeiteraussperrung nicht oder nicht dauernd teilnehmen oder teilgenommen
haben, aus Anlaß dieser Nichtbeteiligung bedroht oder in Verruf erklärt,
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe bis zu
1000 Mark zu erkennen.
§ 7. Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei der eine
Handlung der in den §§ 1 bis 6 bezeichneten Art mit vereinten Kräften
begangen wird, teilnimmt, wird mit Gefängnis bestraft.
Die Rädelsführer sind mit Gefängnis nicht unter drei Monaten zu
bestrafen.
§ 8. Soll in den Fällen der §§ 1, 2, 4 ein Arbeiterausstand oder
eine Arbeiteraussperrung herbeigeführt oder gefördert werden und ist der
Ausstand oder die Aussperrung mit Rücksicht auf die Natur oder Bestim-
mung des Betriebs geeignet, die Sicherheit des Reichs oder eines Bundes-
Europäischer Geschichtskalender. XL. 7