118 Das NVeutsche Reich und seine einjelnen Glieder. (Juli 10.—17.)
10. Juli. (Sachsen.) Die amiliche „Leipziger Zeitung“
schreibt über die Frage einer Eisenbahngemeinschaft mit Preußen:
Die Mittel, führt das Blatt aus, welche einer so großen Verwal-
tung, wie der preußischen, zur Verfügung ständen, um die ohnehin not-
leidenden Kleinen mürbe zu machen, seien so mannigfaltig und zahlreich,
daß sie ihren Zweck höchstens noch in Verwaltungsgebieten wie dem sächsi-
schen verfehlten, das trotz Anschlußerschwerung und Ablenkung des Durch-
gangsverkehrs vermöge der Dichtigkeit seines Bahnnetzes und seiner
Industriebevölkerung finanziell immer noch glänzend sesen a Wenn
preußische offiziöse Blätter versicherten, es handle sich nicht um „preußische
Herrschsucht“, nicht darum, die mittelstaatlichen Bahnen unter ein „preußisches
Eisenbahnjoch“ zu bringen, und die politische Selbständigkeit der einzelnen
Staaten werde nicht tangiert, so würden sie wohl guten Glaubens sein.
Dessenungeachtet, fährt das Regierungsorgan wörtlich fort, müssen sie uns
aber gestatten, an der Ueberzeugung festzuhalten, daß wir in Sachsen bei
dem Uebergang der Eisenbahnen auf das Reich oder bei einer Eisenbahn-
gemeinschaft mit dem führenden Bundesstaate uns weder einer so kulanten
Verwaltung noch eines so dichten Eisenbahnnetzes, wie das jetzige sächfische,
erfreuen würden, daß mit der Selbständigkeit unseres Eisenbahnwesens
auch der Lebensnerv unserer politischen Selbständigkeit, unsere Leistungs-
fähigkeit als gesundes Mitglied des großen deutschen Nationalstaates unter-
bunden würde. Die Zeiten, wo die staatliche Selbständigkeit dieser Mittel-
glieder für die nationale Sache eine Gefahr war, sind vorüber. In ihrer
heutigen Gestalt kommt diese Selbständigkeit, kommt das Gedeihen der
Gliedstaaten nur dem großen Ganzen zu gute und bildet vielleicht den ein-
zigen Vorzug, den wir vor den großen zentralifierten Staaten des Ostens
und des Westens haben. Von einer nationalen Gefahr also kann keine
Rede sein. Machen die Verkehrsbedürfnisse eine weitere Verstärkung der
Reichsgewalt auch auf diesem Gebiete zur Notwendigkeit, sei es durch eine
kräftigere Ausgestaltung des Reichseisenbahnamtes oder sonst wie, so wird
man sich dieser Notwendigkeit, wie wir annehmen, auch hier nicht ver-
schließen, aber von dem Gedanken, daß die Verhältnisse bei uns in allen
diesen Dingen wesentlich anders liegen, als in den süddeutschen Staaten,
namentlich in Hessen und Württemberg, können wir uns nicht trennen."“
(Nach der „Tägl. Rdschau.“).
10. Juli. (Potsdam.) Der Oberpräsident von Branden-
burg, Staatsminister v. Achenbach, 1.
10. Juli. (Bayern.) Urwahlen zum Bayerischen Landtag.
15. Juli. (Preußen.) Fleischeinfuhrverbot.
Die Einfuhr von frischem Rindfleisch aus Belgien nach Preußen und
Elsaß-Lothringen wird durch landespolizeiliche Verordnungen auf Grund des
Viehseuchengesetzes verboten. Diese Maßregel wird damit begründet, daß
die belgische Regierung neuerdings die Einfuhr amerikanischen Rindviehs
nach bestimmten belgischen Häfen zur sofortigen Abschlachtung gestattet
hat und hiermit die Möglichkeit gegeben ist, daß frisches Fleisch von in
Belgien geschlachteten amerikanischem Rindvieh über die belgische Grenze
nach Deutschland eingeführt wird. Das in Anmerika herrschende Texas-
fieber hat das Verbot veranlaßt.
17. Juli. (Bayern.) Hauptwahlen zum Bayerischen Land-
tag. Ergebnis. Bündnis zwischen Zentrum und Sozialdemokraten.
Preßdiskussion.