Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

Das Dentshe Reih und seine einzelnen Slieder. (August 5.) 121 
haben, der ihnen zugefallenen Aufgabe nach besten Kräften gerecht zu 
werden, und daß ihre Bemühungen nicht ohne Erfolg geblieben find. Daß 
die Konferenz utopische Träume mit einem Schlage verwirklichen würde, 
hatte kein verständig Denkender erwartet, aber bei einem so gewaltigen 
Problem, dem schwierigsten und umfassendsten Werke der Welt, vermögen 
auch scheinbar kleine Schritte von segenbringender Bedeutung zu werden, 
wenn dieselben sich innerhalb des Erreichbaren halten und dabei doch in 
der Richtung auf das Ideal erfolgen, das nicht von heute auf morgen er- 
reichbar ist. Eine zweifellos wertvolle Errungenschaft ist zunächst die 
von der Konferenz erzielte Einigung über die Ausdehnung der bisher 
nur für den Landkrieg geltenden Genfer Konvention auf den Seekrieg. 
Durch neue Be-stimmungen ist besonders die Unverletzlichkeit der militä- 
rischen Hospitalschiffe anerkannt worden und auch die von Privaten und 
Wohlthätigkeitsgesellschaften ausgerüsteten Hospitalschiffe sollen unter ge- 
wissen, genau formulierten Beschränkungen den weitestgehenden Schutz 
genießen. Geistliche und Sanitätspersonen sind unverletzlich. Für 
schonende Behandlung in Feindeshand gefallener Verwundeter und Kranker 
ist gesorgt. Auch mit der Ausarbeitung des kodifizierten Kriegsrechts für 
den Landkrieg hat die Konferenz eine verdienstvolle Arbeit verrichtet. Der 
darüber ausgearbeiteten, 60 Artikel umfassenden Konvention liegt die 
seinerzeit nicht ratifizierte Brüsseler Deklaration von 1874 zugrunde, 
deren Bestimmungen aber vielfache Erweiterungen und Verbesserungen er- 
fahren haben. Gegen Flüchtlinge und wieder ergriffene Kriegsgefangene, 
sollen fort an nur Disziplinarstrafen zulässig sein. Zur Erkundigung 
über das Schicksal der Kriegsgefangenen sind Auskunftsstellen in Aussicht 
genommen. Die Bestrebungen der Wohlthätigkeitsanstalten zur Erleichte- 
rung des Lebens der Kriegsgefangenen erhalten das weitestgehende Ent- 
gegenkommen zugesichert. Eingehende Bestimmungen regeln den Schutz 
der Bewohner des besetzten Landes sowie die Heimbeförderung der Ver- 
wundeten und Kranken. Hervorgehoben zu werden verdient, daß gemäß den 
getroffenen Festsetzungen von der deutschen Kriegsführung schon bisher 
verfahren worden ist. Es liegt in der Natur der Dinge, daß auf diesem 
Gebiet nur mit äußerster Vorsicht vorzugehen war. Demgemäß tragen 
die Festsetzungen zunächst durchweg fakultativen Charakter. Ein jeder 
Staat benennt bis zu vier geeignete Personen für den Schiedsrichterdienst. 
Aus der Gesamtheit wird eine permanente Liste gebildet, aus der die 
streitenden Staaten die Schiedsrichter wählen sollen. Kein Staat ist ge- 
zwungen, sich dieser Einrichtung zu bedienen, vielmehr erfolgt die An- 
rufung der Schiedsgerichtseinrichtung und die Auswahl der Schiedsrichter 
lediglich im Wege freier Vereinbarungen zwischen den Streitenden. 
Auch die Vorschriften betreffend das Schiedsgerichts-Verfahren gelten nur, so- 
weit die Parteien nichts vereinbaren. Den gleichen Charakter der Freiwillig 
keit tragen die Bestimmungen über die allgemeine und sogenannte spezielle 
Vermittlung, sowie die internationalen Enquetekommissionen zur Aufklärung 
thatsächlicher Verhältnisse. Wenn die Beratung über die Frage der Ein- 
schränkung einer Verstärkung der Heereseinrichtungen, insbesondere die 
Herbeiführung eines Stillstandes in der Vervollkommnung der Waffen, 
ohne eigentliches Ergebnis geblieben ist, so lag dies in der Natur der ge- 
gebenen Verhältnisse. Es ist aber als ein nicht geringes Verdienst der 
Konferenz anzuschlagen, die Unmöglichkett dargelegt zu haben, auf diesem 
Gebiet zu einschneidenden Vereinbarungen zu gelangen. Es ist schließlich 
mit Befriedigung zu begrüßen, daß auf der Konserenz mit erheblicher 
Mehrheit über das Verbot einzelner Kriegsmittel und Kampfesarten, welche 
das menschliche Gefühl besonders abstoßen, Vereinbarungen getroffen
	        
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