6 Das Deutsche Reich und seine einfelnen Glieder. (Januar 12.—13.)
Behauptungen begründet seien. Staatssekr. Tirpitz: Ich möchte daran
erinnern, daß die verbündeten Regierungen einen Flottenplan vorgelegt
haben, dessen Durchführung auf sieben Jahre bemessen war. Durch das
Entgegenkommen des Reichstages ist diese Zeit auf sechs Jahre verkürzt
worden. Nach den Verhandlungen, die in der Budgetkommission und im
Plenum geführt sind, habe ich die Supposition, daß die verbündeten Regie-
rungen jetzt wieder einen neuen Flottenplan einbringen wollten, nicht für
ernsthaft genommen und daher im Plenum nicht darauf geantwortet. Ich
brauche auch nur auf den vorliegenden Etat hinzuweisen, in welchem fast
auf jeder Seite das ernsthafteste Bestreben hervortritt. seitens der Marine-
verwaltung die beschlossene Limitierung auf das strengste innezuhalten. Da
aber in der Kommission der Wunsch nach einer Erklärung der verbündeten
Regierungen noch einmal an mich herantritt, so erkläre ich ausdrücklich,
daß an keiner Stelle in irgend einer Weise die Absicht hervorgetreten ist,
einen neuen Flottenplan vorzulegen, daß im Gegenteil bei allen in Betracht
kommenden Stellen die festeste Absicht besteht, das Flottengesetz auszuführen
und die darin vorgesehene Limitierung innezuhalten.
12. Januar. (Württembergischer Landtag.) Beschlüsse
der Ersten Kammer über die Steuergesetze. Scheitern der Ein-
kommensteuerreform.
Die Kammer der Standesherren verwirft den Beschluß der VBolks-
kammer, die Einkommensteuer in der höchsten Stufe auf 5 Prozent zu er-
höhen und verlangt eine Erweiterung ihrer Machtbefugnisse, indem dem
Gesetze die Bestimmung eingefügt werden soll, daß eine Erhöhung des
Steuersatzes nur stattfinden dürfe im Wege der ordentlichen Gesetzgebung,
so daß also für diesen Fall das allgemeine Vorrecht der Volkskammer in
Finanzfragen eine Einschränkung erfahren würde. — Die zweite Kammer
lehnt gegen 11 Stimmen eine Beratung dieser Beschlüsse ab (16. Jan.). —
Damit ist das Einkommensteuergesetz definitiv gescheitert.
12./13. Januar. (Reichstag.) Erhöhung der Friedensstärke
des deutschen Heeres. — Vermehrung der Armeekorps, der Artillerie
und Kavallerie. Dauer der Dienstzeit. — Verweisung an die
Budgetkommission. Vgl. 1898 S. 182.
Kriegsminister Generalleutnant v. Goßler: Die beiden Gesetz-
entwürfe, welche dem hohen Hause zur Beratung vorliegen, unterscheiden
sich sehr wesentlich von den gleichartigen Entwürfen der früheren Jahre.
Bisher sind in bestimmten Zeitabschnitten einmalige, plötzliche, erhebliche
Verstärkungen der deutschen Heeresmacht beantragt und bewilligt worden.
Es resultierten hieraus sowohl mannigfache Schwierigkeiten in organisa-
torischer Hinsicht wie auch eine ungünstige Beeinflussung der finanziellen
Entwicklung des Reiches. Dieses System war aber notwendig, weil die
deutsche Heresmacht numerisch für längere Perioden festgelegt worden war
und die fremden Staaten diese Zeit benutzt hatten, um für ihre Rüstungen
einen erheblichen Vorsprung zu gewinnen. Es kam daher darauf an,
diesen Vorsprung mit einem Schlage wieder auszugleichen. Die gegen-
wärtige Vorlage weicht hiervon ab. Sie nimmt eine ruhige, systematische
allmähliche Entwicklung der deutschen Heeresmacht in Aussicht, behält aber
die fünfjährige Periode, mit der die gesetzgebenden Faktoren meines Er-
achtens das Richtige gefunden haben, bei. Derartige Perioden sind sowohl
geeignet, Organisationen sich einleben zu lassen, als auch etwaige Mängel,