140 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (September 8.)
Stelle wurde uns stets die Ehre zuteil, Ew. Majestät Großvater begrüßen
und verehren zu können. Ihm verdanken wir, das weiß niemand so ge-
nau als Ew. Majestät, so vieles für die Armee, so vieles, was zum Geiste
des Soldaten gehört, zum Geiste des Heeres. Wir folgen mit um so
größerer Liebe Ew. Majestät, als Ew. Majestät in aufopfernder Thätig-
keit andauernd bemüht sind, diese Traditionen fortzuführen und durch sie
Stärke des Heeres zu erhöhen und zu vermehren. Das ist kein
Zweifel, daß der Geist des Offizierkorps die Stärke des Heeres ist! Möge
es Mir gestattet sein, Ew. Majestät treue Wünsche auszusprechen für alles,
was Ew. Majestät unternehmen, um dem Heere neue Kraft zuzuführen,
und um den Geist zu erhalten, von dem wir eben sprechen. Möge Ew.
Majestät die ganze Kraft zuteil werden, durch den himmlischen Vater, welche
notwendig ist, um ein so hohes vielseitiges Amt mit der ganzen Liebe und
Hingebung durchführen zu können, die Ew. Majestät in sich empfinden,
um das zu leisten, was wir heute sehen. In dieser Empfindung bringe
Ich Ew. Majestät die Bitte dar, ein Hurra ausbringen zu dürfen im
Namen Meines Hauses, Meines Landes und des XIV. Armeekorps. Seine
Majestät Kaiser Wilhelm hurra, hurra, hurra!“
Der Kaiser erwidert:
„Ew. kgl. Hoheit wollen Mir gestatten, von ganzem und tiefstem
Herzen Meinen Dank zu Füßen zu legen für die freundlichen Worte, sowie
Meine innigsten und herzlichsten Glückwünsche zu dem heutigen schönen und
trotz aller eingetretenen Schwierigkeiten so erfolgreichen Tage für das
XIV. Armeekorps. Ew. kgl. Hoheit haben die Güte gehabt, unsern Blick
auf die Vergangenheit zu richten und damit ist wohl gerade an dieser
Stelle und in diesem Hause für uns alle eine Reihe von Bildern erschlossen,
die uns allen das Herz schwer machen und das Auge feucht. Wenn man
daran denkt, wie vor 20 Jahren die Parade desselben Armeekorps von
Heldengestalten geführt und geleitet wurde, welche nicht mehr sind: der
große Kaiser an der Spitze seines Regiments, das Ich heute vorführen
durfte, Mein seliger Vater, von dem Sonnenglanze der Zukunft umstrahlt,
an der Spitze des Seinigen, und der Sieger von Nuits: Sie sind dahin-
gegangen, wir sind zurückgeblieben und uns liegt es ob, was sie hinter-
ließen, auch zu erhalten. In dieser Hinsicht schließt sich der heutige
Paradetag würdig an die anderen an, ein Stolz für unser Volk und unser
Land und eine Mahnung für das Ausland. Denn ob gold-rot, ob schwarz-
rot, ob grün-weiß oder schwarz-weiß, es reiht sich Fähnlein an Fähnlein
und bildet in seiner Gesamtheit ein Ganzes, welches um das goldene Panier
unsres Reiches gelagert ist, um dasselbe zu schützen und zu sichern. Und
nicht zum geringsten erblickte Ich mit Genugthuung das zweite Treffen, das
in Gestalt der alten Krieger dem Paradetage zusah, die noch die Ehre ge-
habt haben, unter unsern Vorfahren zu fechten und die großen Tage des
alten Kaisers mitzuerleben. Daß dem aber so ist, verdanken wir dem Um-
stand, daß es dem großen Kaiser vergönnt war, nach langjähriger Prüfung
und Vorbereitungsarbeit die deutschen Fürsten zu finden, die ein Herz voll
Begeisterung für die große Sache mitbrachten und sofort an seine Seite
traten. Der sicherste Kitt für den Zusammenhalt unsres Vaterlands das
ist das verständnisinnige Zusammenarbeiten unsrer Fürsten und das Blut,
das gemeinsam vergossen wurde auf dem Schlachtfeld. Möge das scheidende
Jahrhundert unser junges Reich und unser Heer in der Verfassung sehen,
wie sie einst der große Kaiser uns hinterließ, mögen wir uns stets bewußt
sein, daß wir dafür zu sorgen haben, die Religion zu schützen, die dem
Volk erhalten bleiben soll, und für Sitte und Ordnung einzustehen. Mögen