Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 19.) 153 
diese Anstalt allezeit ruhmvoll ihre Aufgabe lösen und den ihr gebüh- 
renden Rang unter den Hochschulen behaupten möge, so kann Ich mit 
Genugthuung heute bezeugen, daß Seine Hoffnung und Sein Wunsch 
in der seitherigen Entwickelung dieser Anstalt, welche als seine eigenste 
Schöpfung zu betrachten sich glänzend erfüllt und diese wie die tech- 
nischen Hochschulen überhaupt sich ebenbürtig den obersten Bildungs- 
stätten des Landes, unseren Univerfitäten, an die Seite gestellt haben. 
Es ist Mir eine besondere Freude gewesen, dies heute noch dadurch an- 
erkennen zu können, daß Ich den technischen Hochschulen das Recht zur 
Verleihung besonderer, ihrer Eigenart entsprechender wissenschaftlicher Grade 
beigelegt habe. Daß durch die wissenschaftlichen Bestrebungen der Hoch- 
schulen der innige Zusammenhang mit der Praxis nicht beeinträchtigt werden 
darf und die technischen Hochschulen bemüht sein werden, aus der an- 
regenden Berührung mit dem Leben fortdauernd neue Kraft und Nahrung 
zu ziehen, dafür dienen als Wahrzeichen die Standbilder der beiden Männer, 
die fortan die Front dieses Hauses schmücken werden. So lange sie die 
Erinnerung an diese Männer festhalten und ihrem Vorbilde nacheifern, 
wird die deutsche Technik im Wettkampf der Nationen allezeit ehrenvoll 
bestehen. In dem Verhältnis der technischen Hochschulen zu den anderen 
obersten Unterrichtsstätten aber gibt es keine Interessengegensätze und keinen 
anderen Eifer als den, daß eine jede von ihnen und jedes Glied derselben 
an seinem Teile den Forderungen, die das Leben und die Wissenschaft 
stellen, voll gerecht werde, eingedenk der Goetheschen Worte: 
Gleich sei keiner dem andern; doch gleich sei jeder dem Höchsten! 
Wie das zu machen? Es sei jeder vollendet in sich! 
Bleiben die technischen Hochschulen, welche in dem zu Ende gehen- 
den Säkulum zu so schöner Blüte sich entwickelt haben, dieser Mahnung 
getreu, so wird das kommende Jahrhundert sie wohl gerüstet finden, auch 
den Aufgaben gerecht zu werden, welche die fortschreitende kulturelle Ent- 
wickelung der Völker in immer steigendem Maße an die Technik stellt. 
Staunenerregend sind die Erfolge der Technik in unseren Tagen, aber 
sie waren nur dadurch möglich, daß der Schöpfer Himmels und der 
Erde den Menschen die Fähigkeit und das Streben verliehen hat, immer 
tiefer in die Geheimnisse seiner Schöpfung einzudringen und die Kräfte 
und die Gesetze der Natur immer mehr zu erkennen, um sie dem Wohle 
der Menschheit dienstbar zu machen. So führt, wie jede echte Wissenschaft, 
auch die Technik immer wieder zurück auf den Ursprung aller Dinge, den 
allmächtigen Schöpfer, und in demütigem Dank müssen wir uns vor ihm 
beugen. Nur auf diesem Boden, auf dem auch der verewigte Kaiser Wilhelm 
der Große lebte und wirkte, kann auch das Streben unserer Wissenschaften 
von dauerndem Erfolge begleitet sein. Halten Sie, Lehrer und Lernende, 
daran fest, so wird Ihrer Arbeit Gottes Segen nicht fehlen. 
Dies ist Mein Wunsch, welcher die Anstalt in das neue Jahr- 
hundert geleiten möge!“ 
Der Erlaß über den Doktortitel lautet: 
„Auf den Bericht vom 6. ds. Mts. will Ich den technischen Hoch- 
schulen in Anerkennung der wissenschaftlichen Bedeutung, welche sie in den 
letzten Jahrzehnten neben der Erfüllung ihrer praktischen Aufgaben erlangt 
haben, das Recht einräumen: 1) auf Grund der Diplom-Prüfung den Grad 
eines Diplom-Ingenieurs (abgekürzte Schreibweise, und zwar in deutscher 
Schrift: Dipl.-Ing.) zu erteilen, 2) Diplom-Ingenieure auf Grund einer 
weiteren Prüfung zu Doktor-Ingenieuren (abgekürzte Schreibweise, und zwar 
in deutscher Schrift: Dr.-Ing.) zu promovieren, und 3) die Würde eines 
Doktor-Ingenieurs auch Ehren halber als seltene Auszeichnung an Männer, 
 
 
	        
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