Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 12./13.) 9
beherrscht. Es werden also in den Schlachten der Zukunft voraussichtlich
die Artillerielinien das eigentliche Gerippe der Schlacht bilden und den
anderen Waffen den Weg ebnen, der zum Erfolg führt. Um das zu
erreichen, um derartige Artillerielinien, derartige Massen zu etablieren,
muß man eine Organisation haben, welche die Handlichkeit der Artillerie
garantiert. Das kann man aber nur, wenn man kleine Verbände hat,
Verbände, in denen eine gemeinsame Feuerleitung noch möglich ist. Darum
macht die Vorlage den Vorschlag, jeder Division eine Brigade Feld-
artillerie, geteilt in zwei Regimenter zu 2 Abteilungen à 3 Batterien zu
geben. Ich glaube, daß diese Organisation diejenige ist, welche gewisser-
maßen dem Ideal der Artillerie entspricht. Ich erwähne nur nebenbei,
daß auf diesem Wege auch der so wichtige Munitionsersatz wesentlich er-
leichtert wird. Neu ist bei dieser in Aussicht genommenen Organisation
die Bildung von Feldhaubitzen-Abteilungen. Es ist vorgesehen, innerhalb
des gegebenen Rahmens jedem Armeekorps eine Haubitzenabteilung zu-
zuteilen. Auch in Bezug hierauf muß man die Entwicklung der modernen
Technik ins Auge fassen. Das neue vervollkommnete Geschütz ist in seiner
Flugbahn rasanter, es beherrscht natürlich das Gefechtsfeld auf größere
Entfernungen; aber die Schwierigkeit, den Gegner in der Deckung zu
treffen, wächst, und selbstverständlich wird man versuchen, sich einem der-
artigen Geschützfeuer dadurch zu entziehen, daß man Deckungen benutzt oder
sie sich schafft. Wenn nun Feldhaubitzen zur Ergänzung der Flachbahn-
geschütze vorgeschlagen werden, so ist das keine Improvisation: es finden
vielmehr seit Jahren eingehende Versuche mit diesem Geschütz statt. Nicht
nur auf den Schießplätzen sondern auch in den Manövern in größeren
Verbänden hat sich dasselbe durchaus bewährt und dürfen wir uns der
Ueberzeugung hingeben, daß wir, der Technik entsprechend, auch mit diesem
Geschütz das Richtige getroffen haben. Die Haubitze ist nicht schwerer als
das Flachbahngeschütz; nur selbstverständlich hat sie ein größeres Kaliber
und die Geschosse mit verhältnismäßig sehr großen Sprengladungen sind
im stande, da rasch entscheidende Wirkung zu bringen, wo die Flachbahn-
geschütze mit ihren Sprenggranaten viel mehr Arbeit haben und weniger
Sicherheit gewähren würden. Also gewähren Sie der Feldartillerie auch
in dieser Beziehung das, was sie zur vollkommenen Leistung bedarf.
Ueber die zweijährige Dienstzeit sagt der Redner: Die Vorlage macht
den Vorschlag, es bei dem bisherigen Zustande zu belassen, weil der
Augenblick zu einer definitiven Beschlußfassung noch nicht gekommen ist.
Ich halte es aber für zweckmäßig, diese Frage ganz offen zu erörtern, und
will ich die Vorteile und Nachteile der verkürzten Dienstzeit Ihnen nicht
vorenthalten. Man hat sich, als man zur zweijährigen Dienstzeit über-
ging, an vielen Stellen wohl von der Verantwortung, die damals die
Kriegsverwaltung trug, keinen richtigen Begriff gemacht. Wenn man sich
in der Frage irrte, dann stellte man die Operationsfähigkeit der Armee in
Frage. (Sehr richtig! rechts.) Aus diesem Grunde wurden die vierten
Bataillone geschaffen, weil wir aus den Versuchen, die in kleinerem Um-
fange gemacht worden waren, die Ueberzeugung gewonnen hatten, daß,
wenn den Truppen alle Schwierigkeiten, welche die Ausbildung beein-
trächtigen, genommen würden, die Arbeit geleistet werden könne. Es
wurden daher diese vierten Bataillone gewissermaßen als Formationen
zweiter Linie betrachtet und demgemäß ausgestattet. Dank dieser Ein-
richtung ist die Operationsfähigkeit der Armee keinen Moment zweifelhaft
gewesen. Wie sich die Sache weiter entwickeln würde, hing wesentlich
davon ab, wie sich in der Armee das Vertrauen zu der verkürzten Dienst-
zeit gestaltete und, ob die Truppen sich in der Lage und bereit fühlten,