Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

212 Grofbritannien und Frland. (Januar 20.) 
welche bewiesen werde, daß der Handel der Flagge folge. Sodann spricht 
er über die befriedigende Erledigung des Faschoda-Falles und spricht die 
Zuversicht aus, daß die Stellung Englands im ganzen Nilthal künftighin 
als durchaus unanfechtbar anerkannt sei. Er erwähnt ferner die Besei- 
tigung anderer Anlässe zur Erregung auf seiten Frankreichs, darunter die 
Niger-Angelegenheit und die Zurücknahme der französischen Forderung auf 
Ausdehnung der französischen Niederlaffung in Shanghai. Daran an- 
knüpfend bemerkt der Minister, er freue sich über die Erklärungen einfluß- 
reicher französischer Staatsmänner und Zeitungen, welche darauf dringen, 
daß die Gelegenheit ergriffen werde, alle übrigen Fragen, die den Anlaß 
einer Reibung zwischen den beiden Ländern geben könnten, in freundschaft- 
licher Weise zu erledigen. Wenn dieser Wunsch bei dem französischen Volke 
und der französischen Regierung bestehe, so komme ihm das englische Volk 
mehr als auf halbem Wege entgegen. Chamberlain wandte sich gegen den 
Teil der Pariser Presse, der England als kriegsbegierig darstelle. England 
hasse den Krieg. Die zwei Fragen, betreffend Madagaskar und Neufund- 
land, seien noch unerledigt. Was Madagaskar angehe, so sei die englische 
Regierung der Ansicht, daß hier ein Treubruch vorliege. Feierliche Ver- 
pflichtungen seien ignoriert und umgangen worden, England sei um Ver- 
tragsrechte gebracht worden, der britische Handel habe hierdurch beträchtlichen 
Schaden erlitten. Solange die Frage nicht geschlichtet sei, werde ein tiefes 
Gefühl des Verdrusses beim englischen Volke bestehen bleiben. Die Regierung 
hoffe und glaube indeß, daß diese Frage in einer für beide Länder annehm- 
baren Weise ihre Beilegung finden werde. Die Thatsachen, betreffend Neu- 
fundland, so legte Chamberlain weiter dar, böten ein typisches Beispiel 
einer boshaften Politik, welche augenscheinlich darauf ausgehe, den größt= 
möglichsten Aerger und Schaden für Andere mit möglichst geringen Vor- 
teilen für ihre Urheber zu verbinden. England wünsche indessen keineswegs, 
die Bestimmungen des Utrechter Friedensvertrages zu umgehen; es wünsche 
vielmehr, daß die durch denselben Frankreich zugestandenen Rechte eine 
genaue Auslegung erfahren, nicht ausgedehnt und zu Englands Schaden 
mißbraucht werden. Wenn diese Rechte einer genauen Durchsicht unter- 
worfen werden, und wenn Frankreich glaube, daß sie Wert für Frankreich 
besitzen, und Willens sei, Anlaß und Quelle der Erregung zu beseitigen, 
dann werde England bereit sein, die Aufhebung dieser Rechte durch Ge- 
währung einer billigen Entschädigung zu vereinbaren. 
20. Januar. England und Egypten schließen ein Abkommen 
über den Sudan. 
Das Abkommen bestimmt, daß unter dem „Sudan“" alle Gebiete 
südlich vom 22. Grad nördlicher Breite zu verstehen sind, welche seit dem 
Jahre 1882 niemals von den egyptischen Truppen geräumt gewesen oder 
vor dem letzten Aufstand von der egyptischen Regierung verwaltet worden 
sind, dann teilweise für Egypten verloren gingen, aber durch das gemein- 
same Vorgehen der britischen und der egyptischen Regierung zurückerobert 
wurden, oder endlich diejenigen Gebiete, welche daselbst später noch durch 
gemeinsames Vorgehen der beiden Regierungen zurückerobert werden. Die 
britische und die egyptische Flagge soll sowohl zu Wasser als auch zu Lande 
gemeinsam geführt werden mit Ausnahme der Stadt Suakin, wo nur die 
egyptische Flagge geführt werden soll. Die oberste militärische und civile Ge- 
walt soll in die Hände eines Beamten gelegt werden, der den Titel „Ge- 
neralgouverneur des Sudans“ führen und ernannt werden soll durch ein 
in Uebereinstimmung mit der englischen Regierung erlassenes Dekret des 
Khedive, und der auch nur durch ein Dekret des Khedive in Ueberein-
	        
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