Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

226 Großbritannien und Irlaend. (November 20.—29.) 
daß der Zweck des Krieges die Befriedigung der Gelüste habgieriger 
Lords sei, die die Gold= und Diamantengruben begehrten. England als 
Ganzes würde keinen Vorteil von dem Besitz der Goldminen haben, aus- 
genommen insofern, als es eine gute Regierung für die in jener Industrie 
thätigen Personen schaffen wolle. England wolle keine Goldfelder, keine 
Gebiete, sondern es wünsche gleiches Recht für alle Rassen und Sicherheit 
für die englischen Unterthanen und das Reich. Ferner erwähnt der 
Premierminister die Hinweise auf die Eventualität einer fremdländischen 
Einmischung. Er wolle, sagt er, niemand bei dem Glauben lassen, daß 
der Konflikt in dieser Weise abgeschlossen werden könne. England werde 
ihn selbst durchzuführen haben und die Einmischung irgend einer Macht 
werde keine Wirkung ausüben (Beifall), da England eine solche Ein- 
mischung überhaupt nicht annehmen würde. Er sei jedoch überzeugt, daß 
von keiner Regierung der Welt ein derartige Absicht gehegt werde. Redner 
nahm auf die großen Kriege der neuen Zeit Bezug, wobei er darauf hin- 
wies, daß in keinem derselben eine dritte Macht es auf sich genommen 
habe, sich in den Streit einzumischen. Die nicht unmittelbar beteiligten 
Mächte beanspruchten das Interventionsrecht nicht, weil sie es nicht ver- 
langen könnten. Wenn England siegreich sein werde, werde es seine aus- 
gedehnten Interessen und Pflichten zu Rate ziehen und die Ueberlieferung 
seiner Kolonialverwaltung, sowie Mäßigung und Gleichberechtigung für 
alle Rassen im Auge behalten. 
20. bis 28. November. Aufenthalt des deutschen Kaiserpaars 
in England. 
Da der Besuch einen rein privaten Charakter trägt, so finden keine 
offiziellen Empfänge statt. Am 21. gibt die Königin ein großes Prunkmahl, 
wobei der Prinz von Wales folgenden Toast ausbringt: „Auf Befehl der 
Königin: Der Deutsche Kaiser und die Deutsche Kaiserin!“ Der Kaiser 
erwidert den Toast mit den Worten: „Die Königin!" — Am 24. wird 
Chamberlain vom Kaiser empfangen und konferiert mit dem Grafen Bülow, 
der den Kaiser begleitet. 
29. November. (Leicester.) Der Kolonialminister Cham- 
berlain sagt in einer Rede über den Krieg in Südafrika und das 
Verhältnis zu Deutschland und Amerika: 
Der Krieg mit Transvaal sei der größte, den die jetzige Generation 
erlebte. England habe direkt von diesem Kriege nichts zu gewinnen. Wenn 
der Union-Jack, die Reichsflagge, morgen über dem Transvaal und Oranje- 
Freistaat wehe, so wäre das einzige Ergebnis davon, daß dort dann eine 
gute Verwaltung bei Gerechtigkeit und Gedeihen herrschen würde, an 
welcher England mit der ganzen zivilisierten Welt teilnähme. Die Kritiker, 
die von einem Kriege der Habsucht und Raubgier sprächen, kennten weder 
England, noch den Grundsatz bei dessen Vorgehen, demzufolge das Mutter- 
land niemals pekuniäre Wohlthaten von seinen Kolonien verlange. England 
kämpfe für die Gerechtigkeit und Freiheit, sowie für die Achtung der frei- 
willig abgeschlossenen Konvention, um dem Angriff gegen die Ober- 
herrschaft der Königin zu widerstehen und seine Stammesangehörigen gegen 
Unbill und Ungerechtigkeit zu schützen. Man spräche von Transvaal als 
einem schwachen Staate. In dem Augenblick, als der Krieg ausbrach, 
war Transvaal der mächtigste Staat Südafrikas. England müsse seine 
Truppen 6000 Seemeilen weit und dann 1500 engl. Meilen weit auf dem 
Lande befördern. Unter diesen Umständen müsse man den Kriegsereignissen
	        
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