Frankreich. (Januar 28.—Februar 10.) 231
wußte, daß ihm nichts abverlangt würde, was seine Privilegien vermindern
könnte in Vergangenheit und Zukunft. (Lebhafter Beifall.) Auch in der
kretischen Frage war Frankreich thätig an der Förderung der Friedens-
arbeiten. Ueber Faschoda sind der Regierung Absichten zugeschrieben worden,
die wir nie hatten. Nach der Einnahme Khartums konnten wir absolut
nicht wissen, wo Marchand sich aufhalte. Wir wollten um jeden Preis
verhindern, daß er mit England ein Renkontre bekomme. Das ist geschehen.
(Beifall.) England behauptet, das Nilthal gehöre seiner Interessensphäre
zu und Marchands Eindringen bedeute einen Konflikt. Dagegen protestieren
wir energisch. Als Marchand die Expedition im Jahre 1896 antrat, war
der Sudan für Egypten verloren. England ging selbst in der Aequatorial-=
Gegend auf Eroberungen auf eigene Rechnung aus. Marchands Expedition
war die Fortsetzung der Expedition Pliotard. Sie endete naturgemäß in
Faschoda. Deshalb konnte Marchand Faschoda verlassen im Gefühl eines
errungenen Erfolges seiner Expedition. Eine Frage nationaler Ehre liegt
nicht vor und war nie gestellt. Die englische Regierung vermied jedes Wort,
das das Verlassen Faschodas erschwert oder unmöglich gemacht hätte. Die
Regierung glaubt, durch ihr Verhalten den beiden Ländern den größten
Dienst erwiesen zu haben, der in dieser Zeit möglich war, nämlich jede
Kalamität zu vermeiden. Frankreich kann in Ruhe und Würde alles dis-
kutieren ohne Voreingenommenheit im Bewußtsein seiner Unabhängigkeit
(Lebhafter allgemeiner Beifall).
28. Januar. (Paris.) Das Kabinett beschließt, einen Gesetz-
entwurf einzubringen, welcher das Revisionsverfahren auf die ver-
einigten Kammern des Kassationshofs überträgt, so oft eine Straf-
kammer bei Annahme des Revisionsantrages eine Engquete anord-
nete, welche mehr als drei Mitgliedern der Strafkammer über-
tragen wurde.
31. Januar. Der Senat genehmigt den Handelsvertrag mit
Italien mit 248 gegen 4 Stimmen.
6. Februar. (Kammer.) Die Vorlage über das Revisions-
verfahren wird in der Kommission der Deputiertenkammer mit 9
gegen 2 Stimmen abgelehnt. — Die Vorlage soll, wie allgemein
angenommen wird, einen der Regierung unerwünschten Spruch des
Kassationshofes im Dreyfusprozeß verhindern.
8. Februar. Die Kammer kritifiert scharf die französischen
Eisenbahnen, die ihren Aufgaben nicht gerecht würden. Der Mi-
nister der öffentlichen Arbeiten, Krantz, erkennt die Berechtigung
vieler Klagen an.
10. Februar. Die Kammer genehmigt die Revisionsvorlage
mit 332 gegen 216 Stimmen.
Ministerpräsident Dupuy sagt in der Begründung: Um gewisse
Bedenken zu zerstreuen, erkläre ich zunächst, daß die Regierung solidarisch
die Verantwortung für die Gesetzesvorlage trägt. Wir wenden uns an die
Gesamtheit der republikanischen Parteien mit der Versicherung, daß alle
uns in der Ruhe ihres Gewissens vertrauen können. (Beifall in der Mitte.)