Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

248 Italien. (März 14.) 
genommen, einige derselben sogar ihre Vertreter in China angewiesen, dem 
Tsung--li-Yamen diese ihre Gefinnung bekannt zu geben. Das Tsung-li-YBamen 
habe jedoch sogleich dem Gesandten de Martino die von ihm behufs der 
Eröffnung der Verhandlungen überreichte Note mit der Versicherung zurück- 
geschickt, es thue dies, um die gegenseitigen Freundschaftsbeziehungen zu 
erhalten, die durch die Eröffnung der Verhandlungen hätten gestört werden 
können. Diese inkorrekte Handlungsweise habe eine sofortige Genugthuung 
erheischt, und die italienische Regierung habe die nötigen Maßnahmen 
getroffen, um diese zu erreichen. Das Tsung-li-Yamen habe sich sogleich 
entschuldigt und von neuem erklärt, es habe Italien nicht beleidigen wollen. 
Außerdem habe es die italienische Regierung benachrichtigt, daß der gegen- 
wärtig in London befindliche Vertreter Chinas bei der italienischen Regie- 
rung sich beeilen werde, nach Rom zurückzukommen und angemessene Auf- 
klärungen zu geben. Dies konnte uns nicht genügen. Wir hatten ein 
Recht, zu verlangen, daß das Tsung-li-Yamen die uns zurückgestellte Note 
wieder annehme, um darauf die Verhandlungen fortsetzen zu können. In- 
zwischen ließen wir jedes zwangsweise Vorgehen in der Schwebe, da wir 
mit Großbritannien vereinbart hatten, daß nur, falls der britische Gesandte 
Mac Donald die Wiederannahme der Note Italiens beim Tsung-li-Bamen 
nicht durchsetze, Italien seine Aktionsfreiheit wieder gewonnen haben solle, 
um Genugthuung für das ihm gethane Unrecht zu erlangen. Aber sonder- 
barer und noch nicht aufgeklärter Weise (denn die verlangten Aufklärungen 
sind uns nicht zugegangen) habe de Martino aus eigener Initiative ein 
neues Schreiben in Form eines Ultimatums an das Tsung-li-Yamen gerichiet, 
in welchem er die Bedingung gestellt habe, innerhalb vier Tagen die erste 
Note wieder anzunehmen und die Verhandlungen zu beginnen, sowie zu 
erklären, daß China die Forderung Italiens im Prinzip annehme. Bei 
Empfang dieser Nachricht, welche de Martino erst 24 Stunden nach dem 
von ihm gethanen Schritte mitgeteilt habe, und welche ihm (dem Minister) 
zugegangen sei, nachdem er seit 12 Stunden amtlich die Existenz eines 
italienischen Ultimatums, von dem Privattelegramme gemeldet hatten, als 
unbegründet erklärt habe, habe es Großbritannien und den Vertretern der 
befreundeten Mächte scheinen müssen, als ob wir in trügerischer Weise 
vorgingen. Die Regierung habe darauf sofort den Schritt de Martino's 
desavouiert. Unmittlelbar darauf sei es bekannt geworden, daß das 
Tsung-li-YBamen, ohne den Ablauf der ihm gestellten Frist von vier Tagen 
abzuwarten, geantwortet habe, es sei bereit, die erste Note nochmals ent- 
gegenzunehmen, ohne aber gleichzeitig irgend welche Geneigtheit zu zeigen, 
die Verhandlungen fortzusetzen. De Martino, welcher in solcher Weise 
desavouiert worden war, habe nicht auf seinem Posten bleiben können. Er 
sei daher sofort abberufen worden, zugleich auch, um über seine Handlungs- 
weise Rechenschaft abzulegen. Die Regierung werde den Gesandten de 
Martino bald ersetzen. Inzwischen habe er (der Minister), da auch der 
Gesandtschafts-Sekretär abwesend und nur ein Dolmetscher zur Stelle sei, 
verfügt, daß die Geschäfte der Gesandtschaft in Peking dem britischen 
Gesandten Mac Donald anvertraut würden, welcher, dank der liebens- 
würdigen Zustimmung Großbritanniens, Italien zeitweilig vertreten werde. 
So unerwartet und bedauerlich der Zwischenfall auch sein möge, so sei er 
nicht der Art, den Stand der Dinge im wesentlichen zu verändern. Das 
Tsung-li-Hamen werde im weiteren Verlaufe die erste Note zurücknehmen. 
Die Regierung sei fest entschlossen, es zu Verhandlungen zu bringen, aber 
alles dies ohne Großthun, mittels ununterbrochenen, ruhigen Vorgehens. 
wobei sie sich Gewaltmaßnahmen nur für den Fall vorbehalte, daß die 
Umstände solche nötig machen würden. Sie müsse daran denken, daß
	        
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