274 Kußland. (Februar / Maͤrz.)
Bobrikow die Veröffentlichung mit 10 gegen 10 Stimmen (18. Febr.). Die
Bevölkerung beschließt deshalb eine Adresse an den Zaren zu richten. Die
„Frankf. Ztg.“ berichtet darüber:
Wie sehr das Manifest des Zaren vom 3./15. Februar, durch welches
die Verfassung Finlands thatsächlich umgestoßen wird, die Finländer auf-
geregt hat, kann man aus dem Umstande ersehen, daß die Adresse an den
Zaren binnen wenigen Wochen 522931 Unterschriften erhalten hat, d. h.
von einer Bevölkerung von 2.6 Millionen hat fast jeder Erwachsene,
Männer wie Frauen, unterschrieben. Am 20. Februar — 2 Tage nachdem
das Manifest in Finland hatte veröffentlicht werden müssen — fand in
Helsingfors eine große Versammlung statt, in der ein Ausschuß von 20
Personen gewählt wurde, der den Auftrag erhielt, Unterschriften für die
Adresse zu sammeln. Im Verlauf der nächsten Tage wurde die Adresse
aufgesetzt und von freiwillig sich darbietenden Personen, hauptsächlich
Damen, in vielen hundert Exemplaren reingeschrieben, worauf zwischen dem
25. und 27. Februar über 150 Personen mit denselben nach allen Teilen
des Landes abreisten, um erwachsenen Mitbürgern und Mitbürgerinnen
Gelegenheit zu geben, dieselbe zu unterzeichnen. Am 5. März wurden in
sämtlichen 500 Gemeinden des Landes Versammlungen abgehalten, bei denen
die Adresse verlesen und unterzeichnet wurde. An demselben Tage begann
auch die Unterzeichnung der Adresse in allen Städten des Landes. Erwägt
man, daß Finland ein sehr ausgedehntes (373604 qkm) und in seinen
nördlichen und östlichen Teilen dünn bevölkertes Land ist, so begreift man,
welche ungeheuere Energie dazu gehörte, um in der kurzen Zeit bis zum
13. März unter den schwierigsten Verhältnissen, bei 30 Grad Kälte und in
Schneestürmen, selbst von der Bevölkerung unter dem Polarkreise Unter-
schriften zu beschaffen. Die Adresse, welche mit den Namenslisten 26 Folio-
bände bildet, hat folgenden Wortlaut:
Großmächtigster, Allergnädigster Kaiser und Großfürst!
Das Manifest Euer Kaiserlichen Majestät vom 3./15. Februar. d. J.
hat überall in Finland Trauer und Bestürzung hervorgerufen. Das ur-
alte Recht des finländischen Volkes, durch seine Vertreter, die Stände, an
der Gesetzgebung teilzunehmen, wurde für ewige Zeiten von Kaiser
Alexander lI. bestätigt, dessen Andenken wir segnen. Dieses Recht ist unter
den hochseligen Kaisern Alexander II. und Alexander III. weiter entwickelt
und genauer geregelt worden. Aber gemäß den Grundbestimmungen, die
nebst dem Manifest erlassen wurden, würden die Stände in solchen Fragen,
von denen festgestellt wird, daß fie auch die Interessen des Reiches be-
rühren, an der Gesetzgebung nicht mehr mit dem Beschlußrecht teilnehmen
dürfen, das ihnen nach den Grundgesetzen Finlands zukommt. Damit wird
der Eckstein unserer ganzen gesellschaftlichen Ordnung erschüttert. Die
unterzeichneten finländischen Mitbürger aus allen gesellschaftlichen Klassen
bitten unterthänigst, daß Euer Kaiserliche Majestät unseren Worten Gehör
zu schenken geruhten, indem wir vor dem Thron unserem tiefen Kummer
über das Schicksal Ausdruck geben, das unserem Vaterlande droht, wenn
der Bestand seiner Grundgesetze untergraben wird.
Allergnädigster Kaiser!
Unter dem Zepter hochgesinnter Herrscher und im Schug seiner
Gesetze ist Finland ununterbrochen in Wohlstand und geistiger Kultur fort-
geschritten. Das Volk hat seine Pflichten gegen seine Monarchen und das
russische Reich treu zu erfüllen gesucht. Wir wissen, daß unser Land in
letzter Zeit Feinde in Rußland gehabt hat, die bestrebt gewesen find, durch
Schmähungen Mißtrauen gegen die Treue und Redlichkeit des finländischen
Volkes hervorzurufen. Wir wissen aber auch, daß diese Schmähungen nur