Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

24          Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 23. 24.)
 
da verschiedene Ministerien dabei beteiligt sind, Verzögerung mit sich 
gebracht. Die Entscheidung wird in nächster Zeit erfolgen. Keine Seele 
hat daran gedacht, die Entscheidung zu unterlassen. Das ist lediglich eine 
Erfindung des Abg. Richter. Ich komme nun zu dem in der Presse sehr 
verständnislos besprochenen und auch von Herrn Richter scharf getadelten 
Erlasse wegen des Waffengebrauchs. Herr Richter hat ihn in formeller 
Beziehung bemängelt; man hätte ihn nicht als geheim behandeln sollen. 
Ich habe den Erlaß nicht geheim gehalten. Bin ich denn dafür ver- 
antwortlich, daß diejenigen, die ihn veröffentlicht haben, ihn gefälscht und 
als geheim bezeichnet haben? Der Erlaß ist von mir nicht als geheim 
bezeichnet worden. Den Erlaß zu publizieren hatte ich keinen Anlaß, 
denn er enthält materiell keine Aenderung der bisherigen Bestimmungen, 
er schärft den Behörden nur ein, daß, wenn sie von den Waffen Gebrauch 
machen, dies ordentlich geschieht. Unnötiger Waffengebrauch soll aber ver- 
mieden werden. Daß es den preußischen Traditionen entspricht, blind zu 
schießen und flach zu hauen, ist durchaus unwahr. Der preußische Kriegs- 
minister hat seine Meinung darüber schon im Reichstag gesagt. Es bleiben 
alle sonstigen Bestimmungen unangetastet. Das bezieht sich namentlich 
auf die Entschließung der Befehlshaber, ob überhaupt und mit welchen 
Waffen eingeschritten werden soll. Auf die Rechtmäßigkeit des Erlasses ist 
Herr Richter nicht eingegangen. Denn es unterliegt keinem Zweifel, daß 
die Rechtmäßigkeit durchaus nicht bemängelt werden kann. Der Erlaß ist 
verständig und zweckmäßig. Man kann den prämeditierten, frivolen Auf- 
läufen, wie wir sie im vorigen Jahre gehabt haben, nur mit einem richtigen 
Mittel entgegentreten, das zugleich das humanste ist, nämlich mit äußerster 
Strenge. Ich halte es für meine Aufgabe, für Ruhe und Ordnung in 
der Monarchie zu sorgen, und ich werde mich weder durch sentimentale 
noch durch schneidige Aeußerungen des Herrn Richter von dieser meiner 
Pflicht abbringen lassen. Am folgenden Tage begrüßt Abg. v. Zedtlitz 
(frk.) die Maßregeln der Regierung zur Hebung des Deutschtums im 
Osten und Schleswig, hält aber das Vorgehen gegen Prof. Delbrück für 
inopportun; er sei ein verdienstvoller Historiker und Patriot, aber kein 
Politiker. Abg. Motty (Pole) polemisiert gegen den H.K.T.-Verein und 
den Alldeutschen Verband. Es existierten Bestrebungen, den Polen, falls 
sie des Deutschen nicht mächtig seien, die staatsbürgerlichen Rechte zu nehmen. 
— Der Etat wird an die Budgetkommission verwiesen. 
             23. Januar. (Württemberg.) Der König eröffnet den 
Landtag. Die Thronrede erwähnt keine Projekte zur Verfassungs- 
reform. 
              24. Januar. (Hannover.) Der Kaiser verordnet, daß die 
preußischen Truppenteile, die 1866 aus den ehemaligen hannover- 
schen Regimentern gebildet worden sind, als Stiftungstage die 
Stiftungstage der alten hannoverschen Regimenter führen. 
             Die Ordre, die in Gegenwart des Kaisers auf dem Waterloo-Platze 
verlesen wird, lautet: 
               An das Generalkommando des 10. Armeekorps. 
         Als Mein in Gott ruhender Herr Großvater im Jahre 1870 zur 
Abwehr feindlichen Anfalles das Schwert zog, standen Hannovers kriege- 
rische Söhne treu zu ihrem neuen König und zu ihrem deutschen Vater- 
lande, auf blutigen Schlachtfeldern bewährten sie die alte hannoversche Tapfer- 
keit. Auf die unvergänglichen Ehrentafeln der Vergangenheit schrieben sie
	        
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