Das Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 17.—20.) 49
17. Februar. (Reichstag.) Nachruf für Felix Faure.
Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst: Ich habe
dem hohen Hause die Mitteilung zu machen, daß der Präsident der Fran-
zösischen Republik, Herr Felix Faure, gestern abend an einem Schlaganfall
plötzlich verschieden ist. Ich bin vi daß die Vertretung des deutschen
Volkes sich eins weiß mit Sr. Majestät dem Kaiser und den verbündeten
Regierungen in dem Ausdruck aufrichtiger und herzlicher Sympathie für
die französische Nation, welche den Heimgang eines Mannes beklagt, der
als ihr Staatsoberhaupt unentwegt die großen Interessen des Friedens, der
Eintracht und der Wohlfahrt der Völker gefördert hat. (Allseitiges Bravo.)
Eingedenk des gemeinsamen Bandes, welches alle gebildeten Völker um-
schlingt, geben auch wir unserer Trauer Ausdruck über den Verlust des
französischen Volkes, das zu keiner Zeit aufgehört hat, einer der großen
Träger der Zivilisation zu sein. (Lebhaftes, allseitiges Bravo.) — Prä-
sident Graf Ballestrem: Der Reichstag hat sich erhoben, um seiner Sym-
pathie Ausdruck zu geben; ich konstatiere das.
18. Februar. (Bayerischer Landtag.) Die Kammer der
Abgeordneten genehmigt die Einkommensteuervorlage mit 113 gegen
1 Stimme.
20. Februar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Justiz-
etat. Begnadigungen und Prozesse wegen Majestätsbeleidigungen.
Abg. Schmitz (Z.) klagt über die Zunahme der Majestätsbeleidigungs-
prozesse und den Eifer der Staatsanwälte in der Verfolgung von Anklagen
und wünscht eine Vermehrung der Richter. Die süddeutschen Staaten seien
Preußen in dieser Beziehung weit voraus. Der Minister solle sich auch
ernstlich fragen, wie die schiedsrichterliche Thätigkeit zu heben sei. Die
bedingte Verurteilung sei einer bedingten Begnadigung vorzuziehen.
Minister Schönstedt hält es auch für notwendig, daß keine An-
klagen erhoben werden, die von vornherein aussichtslos sind. Was die
Mojestätsbeleidigungsprozesse anbelangt, so sei es eine Art Dogma geworden,
zu glauben, daß deren Zahl zugenommen hat. Das Gegenteil sei aber der
Fall. Die Zahl der Majestätsbeleidigungsprozesse habe ständig abgenommen,
in Preußen in den Jahren von 1894—97 von 429 auf 398, 375 und 305;
letzteres ist die geringste Zahl seit 1886, und der Prozentsatz der Ver-
urteilten hat sich in demselben Zeitraum von 1,98 auf 1,35 Prozent ver-
mindert. (Hört! hört! rechts.) Solche Fabeln gehen von den sozialdemo-
kratischen Blättern aus, die ihre eigene Statistik führen. Sie werden von
bürgerlichen Blättern übernommen, und dann kommt die Klage über die
unerhörte Strenge 2c. Es wäre wünschenswert, wenn die Zahl sich noch
weiter verringere. Niemand könnte damit ein größerer Gefallen geschehen,
als den Richtern und Staatsanwälten. Aber wir haben dies nicht in der
Hand. Gleichwohl könnte gerade auf dem Gebiete der Majestätsbeleidigung
vielfach mit größerer Vorsicht bei der Erhebung der Anklage verfahren
werden, namentlich wenn es sich um Denunziation aus unlauteren Beweg-
gründen handelt. Die Staatsanwälte sind angewiesen, in solchen Fällen
vor Erhebung der Anklage mit besonderer Vorsicht zu verfahren. Der
Abg. Richter habe auch bei der Etatsberatung von einer systematischen Be-
gnadigung bei Vergehen wegen Ueberschreitung der Amtsgewalt gesprochen.
Das sei auch eine der Fabeln, die gern verbreitet werden. 1898 sind im
ganzen 15 Prozent derartiger Begnadigungen erfolgt, und 85 Prozent sind
abgewiesen worden. Der Rückgang der schiedsrichterlichen Thätigkeit sei
Europäischer Geschichtskalen der. XI. 4