Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

54 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 2. 4.) 
Kunstwerk ist es nur, wenn jede Schmiererei ein solches sein sollte. (Zu- 
stimmung rechts.) Es ist das schlechteste Werk des vielgenannten Künstlers. 
Auf die Umgebung wirkt dieses Bildwerk wie ein Tintenklex, wie ein Hohn 
auf jeden geläuterten Geschmack. (Zustimmung rechts.) Wenn wir so 
unser Gebäude ausschmücken wollen, dann kommen wir besser weg, wenn 
wir die Titelbilder der „Jugend“ sammeln und ankleben, statt solche Spott- 
geburt von Dreck und Feuer als dekorative Malerei zu verwenden. (Heiter- 
keit rechts.) Mir thun die Besucher des Reichstagsgebäudes leid, die, bis 
die Kommission ihr Vernichtungsurteil gefällt haben wird, sich an dieser 
Kunst, an dieser Ausschmückung des Reichstages erfreuen sollen. Lieber 
weißgetünchte Flächen lassen, als in dieser Weise das Reichstagsgebäude zu 
verhonipeln. 
Diese gegen den Maler Fr. Stuck gerichteten Vorwürfe rufen eine 
lebhafte Besprechung in der Presse und scharfe Proteste aus der Künstler- 
schaft hervor. Geh. Baurat Wallot legt infolge dieser Debatte die Leitung 
der Ausschmückungsarbeiten nieder. 
2. März. (Wilhelmshaven.) Der Kaiser ernennt den 
Prinzen Heinrich zum Chef des ostasiatischen Kreuzergeschwaders. 
4. März. (Reichstag.) Annahme des Gesetzentwurfs, be- 
treffend die Einrichtung eines besonderen Senats für das bayerische 
Heer bei dem Reichs-Militärgericht in Berlin. 
Abg. Schädler (Z.): In Bayern ist die Volksvertretung mit der 
königlichen Regierung einig darüber gewesen, daß Bayern bezüglich der 
Militärgerichtsbarkeit ein Vorrecht zusteht. Der bayerische Senat mit seinem 
Sitz in Berlin ist nicht geeignet, den Eindruck eines selbständigen Gerichts 
zu machen. Wieweit die bayerische Vertretung der Volksvertretung gegen- 
über für diese Vorlage verantwortlich ist, zu entscheiden, ist hier nicht der 
Ort. Ich vermisse auch Kautelen dafür, daß der gegenwärtig geschaffene 
Zustand nicht ohne Zustimmung Bayerns geändert werden kann. Ehe 
nicht Aufklärung darüber gegeben ist, kann ich für die Vorlage nicht 
stimmen. 
Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe: Auf die Anfrage des Herrn 
Vorredners habe ich zu erwidern, daß unter den verbündeten Regierungen 
volles Einverständnis darüber besteht, daß eine etwaige spätere Abände- 
rung dieses Gesetzes, sofern dieselbe notwendig werden sollte, nicht ohne eine 
neue Vereinbarung mit Bayern erfolgen wird (Beifall im Zentrum), da 
der vorliegende Gesetzentwurf, wie die Begründung desselben ergibt, auf 
einer Vereinbarung mit diesem Bundesstaate beruht. (Beifall im Zentrum.) 
Bayerischer Bundesbevollmächtigter Graf von Lerchenfeld-Köfering: 
Die Bemerkung des Herrn Abg. Dr. Schädler, daß die Frage besteht, ob 
das Reservatrecht durch den vorliegenden Gesetzentwurf gewahrt ist, veran- 
laßt mich zu einer kurzen Erklärung. Es ist bekannt, daß die bayerische 
Regierung stets auf dem Standpunkt gestanden hat, daß Bayern hinsicht- 
lich der obersten Instanz ein Reservatrecht besitzt. Es ist dieser Stand- 
punkt in allen Vorstadien der Militär-Strafgerichtsordnung festgehalten 
worden, sowohl bei den kommissarischen Beratungen im preußischen Kriegs- 
ministerium, als später bei den Beratungen im Bundesrat und dem Reichs- 
tage gegenüber. Auf dem gleichen Standpunkt steht die bayerische Regie- 
rung heute noch. Sie hält dafür, daß durch den vorliegenden Gesetzent- 
wurf, welcher Ihrer Beschlußfassung unterliegt, das Reservatrecht gewahrt 
ist; sie ist der Ansicht, daß Bayern hiermit gewährt worden ist, was nach
	        
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