56 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 9.)
mann (Z.) christliche Erziehung in den Volksschulen und sieht in der Ober-
aufsicht des Staates über die Schulen Mißtrauen gegen die Kirche. Kultus-
minister Bosse: Nicht allein die Kirche, auch der Staat habe die Aufgabe,
das Volk zu erziehen, allerdings christlich zu erziehen.
Am folgenden Tage beschwert sich Abg. v. Grabski (Pole), daß
der Unterricht in der polnischen Sprache in Posen systematisch unter-
drückt werde.
Kultusminister Bosse: Der Sprachunterricht ist nur ein Mittel
für die national-polnische Agitation (oho! bei den Polen), und dem muß
die Regierung entgegentreten. Die Kinder können soviel polnisch lernen,
wie sie wollen, wir wollen nur nicht, daß unsere eigenen Lehrer in die
polnische Agitation hineingezogen werden. (Sehr gut! rechts.) Wir hatten
unseren Volksschullehrern erlaubt, polnischen Privatunterricht zu geben.
Diese Erlaubnis ist in erschreckender Weise mißbraucht worden. Es bildeten
sich polnische Sprachenkomitees, welche das Land mit einem Netz polnischer
Sprachschulen umspannten, in welchem polnischer Sprachunterricht in der
Literatur u. s. w. in tendenziöser Weise erteilt wurde. Diesem Unfug
mußten wir ein Ende machen. Wir sind froh, daß wir unsere Lehrer von
der Sprachagitation befreit haben. Wir lassen die Polen polnisch sprechen,
soviel sie wollen. Wir fürchten uns auch nicht davor. Aber der preußische
Staat hat nicht die Aufgabe, eine fremde Sprache zu propagieren. (Ohl
bei den Polen.) In der Schulvorstandssitzung muß deutsch gesprochen
werden, und wer nicht deutsch kann, gehört nicht dort hinein. Auch der
Vorredner versteht ausgezeichnet Deutsch und das hat er und haben die
Polen im Allgemeinen in der preußischen Schule gelernt. — Am 18. wird
ein Antrag Friedberg (nl.) 6000 Mark zur Ausbildung altkatholischer
Theologen zu bewilligen mit 151 gegen 147 Stimmen abgelehnt.
März. Gerüchte über die Gründe für den Wechsel im Kom-
mando des ostasiatischen Kreuzergeschwaders.
Der Vizeadmiral v. Diederichs wird durch den Kontre-Admiral
Prinz Heinrich ersetzt. Englische und amerikanische Blätter behaupten,
er sei abberufen, weil er vor Manila Streitigkeiten mit dem amerikanischen
Admiral Dewey gehabt habe. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt dazu
(9. März): In ausländischen Blättern sind Vermutungen über die Gründe
für den Wechsel im Kommando des Kreuzergeschwaders aufgetaucht, die in
keiner Weise mit den Thatsachen übereinstimmen. Dieser Wechsel war für
jeden Kenner des Dienstbetriebes in der Marine ganz selbstverständlich, da
seit Jahren in der Marine der Brauch besteht, die im Auslande befind-
lichen Offiziere alle 2 Jahre abzulösen. Insbesondere sind Angaben, wie
die, daß Admiral v. Diederichs in Ungnade gefallen sei und wegen Mangels
an Takt und Unkenntnis der Höflichkeiten im internationalen Flotten-
gebrauche getadelt werde, völlig unbegründet.
9. März. (Bayern.) Die Kammer der Abgeordneten ge-
nehmigt mit 114 gegen 21 Stimmen das Gewerbesteuergesetz.
Damit hat die Kammer die Steuerreform erledigt.
März. (Berlin.) Cecil Rhodes weilt in Berlin, um, wie
es heißt, mit dem Auswärtigen Amt über die Anlage einer Zentral-
bahn vom Kap bis zum Nil, die Deutsch-Ostafrika berühren soll,
zu verhandeln. — Er wird am 11. März vom Kaiser empfangen.