Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 10.) 57
10. März. Der „Reichs-Anzeiger“ veröffentlicht amtliche Be-
richte des Generalkonsul Rose über die Vorgänge in Samoa.
In dem Bericht des Generalkonsuls Rose vom 23. Januar über die
Ereignisse vom 31. Dezember 1898 bis zum 4. Januar 1899 wird hervor-
gehoben, daß die Entscheidung des Oberrichters Chambers zu Gunsten
Tanus verblüffend wirken mußte, da Chambers am 5. Oktober 1898 in
einer schriftlichen, allgemein bekannt gewordenen Erklärung geäußert hatte,
es würde kein Grund vorliegen, Mataafa den Platz des Königs vor-
zuenthalten, falls er rechtsgiltig zum König gewählt werden sollte. In
einer Besprechung der Vorsichtsmaßregeln vor dem Ausbruche des Kampfes
zwischen den Parteien der Samoaner äußerten der englische Konsul Maxse
und Kapitän Sturdee die Absicht, das Vordringen der Mataafaleute mit
Gewalt abzuwehren und die Tanupartei thätig zu schützen. Von deutscher
Seite wurden nur solche militärische Schritte angekündigt, die durch die
Rücksicht auf den Schutz des Lebens und Eigentums der Weißen bedingt
waren. In die Wohnung des Oberrichters, wo die englische und ameri-
kanische Flagge gehißt waren, war eine englische Wache gelegt. Nach Lage
der Oertlichkeit wäre diese Wache mitten in den Kampf der Eingeborenen
hineingezogen worden. Sie verließ am 1. Januar Vormittags unter Ein-
ziehung der Flaggen den Platz, nachdem sich der Oberrichter zuvor nach
Apia begeben hatte. Der Generalkonsul schildert dann, wie er am 1. Ja-
nuar nachmittags zum Tivoli-Hotel ritt, um gleich vielen anderen Weißen
die Vorgänge zu beobachten, und dabei einen Haufen Mataafaleute durch-
queren mußte, mit denselben jedoch nicht sprach, und wie er kurz nach
4 Uhr mit Leutnant Frielinghaus vom Kreuzer „Falke" nach dem Stadt-
teil Songi und von dort nach Hause ritt. Somit sei die Anklage
Chambers, der deutsche Generalkonsul sei um halb 5 Uhr Nachmittags an
der Spitze der Mataafaleute geritten, als diese das Tivoli-Hotel angriffen,
vollkommen aus der Luft gegriffen. Ein Beweis dafür sei das schriftliche
Zeugnis des Leutnants Frielinghaus. Die ersten beiden Schüsse seien
von zwei namentlich bekannten Malietoaleuten abgefeuert worden. Die
Tanuleute wurden am 2. Januar von dem Kreuzer „Porpoise", und da
der Raum dort nicht ausreichte, von dem Kreuzer „Falke“ ausgenommen.
Bei der Schilderung der Einsetzung der provisorischen Regierung sagt Rose,
Dr. Raffel hatte sich in den unruhigen Tagen durch seine Thätigkeit allgemeine
Anerkennung erworben. Der Bericht citirt die Lobeserhebungen, die eine
englische Zeitung in Apia am 7. Januar Raffel spendet. In demselben
Sinne bewegten sich die Dankesäußerungen des englischen Konsuls und des
englischen Kapitäns. So war die Einsetzung der provisorischen Regierung
mit Raffel an der Spitze schon am 3. Januar beschlossene Sache. In der
Schilderung des Verhaltens der beiderseitigen Kriegsschiffe wird erwähnt,
daß Raffel am 3. Januar für den Schutz der englischen Mission sorgte.
Zum Schluß dieses Berichts sagt Rose, Mataafa nahm nicht an den
Kämpfen Teil. Auch von englischer Seite sei in einer Zuschrift an eine
Zeitung in Apia anerkannt worden, daß Mataafa für den Krieg nicht
verantwortlich zu machen und bis zuletzt bemüht gewesen sei, denselben zu
verhindern. — Ein zweiter Bericht des Generalkonsuls behandelt die Vor-
gänge vom 4. bis 9 Januar. Raffel schloß am 6. Januar das Obergericht,
weil nach seiner Ansicht die Wahrnehmung des Oberrichterpostens durch
Chambers für die Dauer der Regierung rechtlich ausgeschlossen war, die
entgegen der Entscheidung des Herrn Chambers vom 31. Dezember ent-
standen sei. Der Bericht tritt der Auffassung des englischen Konsuls ent-
gegen, als bedeute das Vorgehen Raffel's eine Beleidigung der englischen