Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

62 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 14.) 
hierzu die vornehmste Bedingung. Die von der Kommission vorgeschlagene 
Zahl von 495 500 Mann ergibt gegenüber den geforderten 502 506 Mann 
eine Differenz von 7006 Mann. Es kann infolge dessen der Etat der 
Infanteriebataillone im allgemeinen nur auf 569 Mann festgesetzt werden; 
der bisherige Etat von 573 Mann verringert sich um 4 Mann. Die 
Bataillone auf hohem Etat können höchstens von 639 auf 640 gebracht 
werden, eine Vermehrung der Zahl der Bataillone auf hohen Etat ist 
überhaupt nicht möglich, und die Bedürfnisse, die der Chef des General- 
stabes in dieser Hinsicht zur Sprache gebracht hat, müssen unberücksichtigt 
bleiben. Auch bei einer derartigen Disposition muß bereits auf Mann- 
schaften, die für andere Waffen designiert waren, zurückgegriffen werden. 
Will man einen als Minimalgrenze zu betrachtenden Etat von 750 Köpfen 
das Bataillon einführen und außerdem die notwendige Zahl von Bataillonen 
auf den höheren Etat von 640 bringen —, so muß man alle für die Etats- 
vermehrung der anderen Waffen bestimmten Mannschaften, der Infanterie 
überweisen und schädigt dadurch die anderen Waffen. Bei den Bundes- 
staaten mit eigener Militärverwaltung werden die Etats der Infanterie 
noch wesentlich geringer. Also hier wird die Verwendungsfähigkeit der 
Bataillone noch mehr beeinträchtigt. Für das württembergische Kontingent 
tritt überhaupt keine Verstärkung, sondern eine Verminderung ein, es wird 
mithin durch die Beschlüsse der Kommission in seiner bisherigen Friedens- 
stärke herabgesetzt. Jch gehe nun von der Auffassung aus, daß es den 
Antragstellern wohl nicht möglich gewesen ist, diese Konsequenzen zu über- 
sehen, und ich nehme nach den von mir im Einzelnen gemachten Aus- 
führungen an, daß es gelingen wird, die Regierungsvorlage wieder herzu- 
stellen, da ich nicht in der Lage sein werde, den verbündeten Regierungen 
die Annahme einer geringeren als der in der Vorlage vorgesehenen Friedens- 
stärke zu befürworten. Unter allen Umständen ist die Militärverwaltung 
aber außer stande, innerhalb des im Gesetz festgelegten Zeitabschnittes von 
fünf Jahren mit dieser Ziffer zu rechnen. Indem ich daher an den 
Patriotismus des hohen Hauses in der festen Zuversicht appelliere, daß die 
Erhaltung und Tüchtigkeit der Armee den allein leitenden Gesichtspunkt 
ihrer Entschließungen bilden wird, kann ich nur nochmals dringend bitten, 
in dieser Hinsicht die Vorlage der verbündeten Regierungen unverändert 
anzunehmen. (Lebhaftes Bravo rechts und bei den Nationalliberalen.) 
Abg. Sattler (nl.): Die Frage, ob 7000 Mann mehr oder weniger 
bewilligt werden sollten, könnte allein von der Heeresverwaltung entschieden 
werden. Abg. v. Levetzow (kons.): Seine in der ersten Lesung erhobenen 
Bedenken seien geschwunden; die Kosten betrügen für die 7000 Mann nur 
2 Mill., könnten also nicht die Abstriche rechtfertigen. Abg. Lieber (Z.): 
Nach den Erklärungen der Vorredner scheine es, als ob der Reichstag 
lediglich den Regierungsforderungen zuzustimmen habe. In den letzten 
Jahren haben wir außerordentlich viel für das Landheer bewilligt, für die 
Artillerie 144 Millionen, für die Flotte 409 Millionen, für die Festungen 
50 Millionen; für die Vorlage sind wir bereit, 130 Millionen einmalige 
Ausgaben zu bewilligen. Das macht neben der regelmäßigen Entwickelung 
des Heeres- und Flottenetats rund 733 Millionen Mark. Für die Flotte 
haben wir im Beharrungszustande eine regelmäßige Mehrausgabe von 
30 Millionen Mark jährlich bewilligt, für das Heer wollen wir 24 Mil- 
lionen bewilligen. Die Zinsen von den vorher bezeichneten 733 Millionen 
betragen 23,7 Millionen, so daß eine jährliche Mehrbelastung von 77,7 Mil- 
lionen sich herausstellt. So unscheinbar der von der Kommission vorge- 
nommene Abstrich zu sein scheint, im Zusammenhange mit dem anderen, 
spielt er doch eine erhebliche Rolle. Bei der Verteidigung des Vaterlandes
	        
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