Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 11.) 77
zügellose Forschung, welche sogar die ewigen Wahrheiten unter dem Vor-
wande des Fortschritts entstellen oder korrigieren möchte. 4. Die Wahr-
heit, wie sie die katholische Kirche lehrt, ist allgemein und göttlich; es
wäre darum eine thörichte Anmaßung, der katholischen Wissenschaft einen
nationalen Charakter beilegen zu wollen. 5. Die bayerischen Oberhirten
erklären ebenso mit voller Entschiedenheit, daß die Erziehung des katholischen
Klerus Sache der Kirche ist. Die Erzbischöfe und Bischöfe Bayerns werden
stets mit allem Eifer bemüht sein, diese wichtige Aufgabe im Sinne der
Kirche und nach ihren Vorschriften zu erfüllen. Der Presse jedoch steht
sein Urteil über diese kirchliche Angelegenheit zu, noch viel weniger kann
derselben eine Einflußnahme auf den Vollzug dieser oberhirtlichen Amts-
pflicht zugestanden werden. 6. Es ist gewiß keinem verwehrt, die Auf-
merksamkeit der berufenen Wächter des Glaubens und der Disziplin auf
dringende Zeitbedürfnisse hinzulenken, nur muß dies in der durch den kirch-
lichen Geist gebotenen Form und Bescheidenheit geschehen. Politische Or-
gane und vollends kirchenfeindliche Zeitungen sind sicher nicht der Platz dafür.
11. April. Verschärfung der Prüfungsbestimmungen für
Fahnenjunker und Fähnriche.
Der Kaiser erläßt an die Generalinspektion des Militärerziehungs-
und Bildungswesens nachstehenden Befehl: „Ich habe aus dem Bericht der
Generalinspektion vom 13. Februar d. J. und den gleichzeitig mir vorge-
legten Jahresberichten der Ober-Militärexaminationskommission und der
Inspektion der Kriegsschulen mit Befriedigung ersehen, daß die Prüfungen
zum Offizier sowie zum Fähnrich auf den Kriegsschulen und im Kadetten-
korps zu wesentlichen Ausstellungen keinen Anlaß gegeben haben. Dagegen
sind die Leistungen bei den übrigen Fähnrichprüfungen zum Teil nicht
unerheblich hinter den zu stellenden wissenschaftlichen Anforderungen zurück-
geblieben. Der Hinweis in den mir vorgelegten Berichten auf die Ursachen
dieser Mängel, welche auf die recht oberflächliche allgemeine Bildung der
aus Vorbereitungsanstalten hervorgegangenen Prüflinge, insonderheit der-
jenigen zurückzuführen sind, welche, ohne die Reife für die Prima zu be-
sitzen, zu den Prüfungen zugelassen werden, läßt es mir geboten erscheinen,
daß die weitgehende Nachsicht, welche im Hinblick auf die Zahl der meiner
Armee noch fehlenden Offiziere bisher bei den Prüfungen zum Fähnrich
gewaltet hat, in dem Maße fernerhin nicht mehr geübt werden soll. Ich
will dem Vorschlage der Generalinspektion daher meine Zustimmung er-
teilen, daß die Ober-Militärexaminationskommission anzuweisen ist, den
Maßstab an die wissenschaftlichen Anforderungen, wie solche in der Ver-
ordnung über die Ergänzung der Offiziere des Friedensstandes vom 11. März
1880 vorgeschrieben sind, wieder voll anzulegen. Gleichzeitig werde ich den
Generalkommandos und den beteiligten obersten Waffenbehörden aufgeben,
eine strengere Prüfung der Gesuche um Erlaß des Zeugnisses der Reife für
die Prima eintreten zu lassen. Die Bestimmungen dieser meiner Ordre
sollen, um den Prüflingen Zeit zu gewähren, den hiernach in Zukunft zu
stellenden Anforderungen genügen zu können, dem Antrage der General-
inspektion entsprechend, erst vom Frühjahr nächsten Jahres ab in Kraft
treten.“
11. April. (Berlin.) Bei der Reichstagsersatzwahl
im zweiten Berliner Wahlkreise werden insgesamt 46309 Stimmen
abgegeben. Fischer (Soz.) wird mit 23905 Stimmen gewählt.
Der freisinnige Kreitling erhält 17239 Stimmen. — Bei der