Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 20.—27.) 89
schaft gegen die Forderung des Staates erhoben habe, eine Gewähr zu
schaffen, daß den Arbeitern kein verdorbenes Fleisch vorgesetzt werde -
und daß man heute fordere, jeder Gewerbetreibende solle Sonntags sein
Huhn im Topf und in der Woche sein Beefsteak sicher haben.
Abg. Pfannkuch (Soz.): Weder die Regierungsvorlage noch die
Anträge reichten aus, die Mißstände zu beseitigen. — Am folgenden Tage
billigt Abg. Hitze (Z.) die Tendenz der Vorlage und der Anträge, hält
aber den Antrag Heyl nicht auf dem Wege der Gesetzgebung, sondern auf
dem der Bundesratsverordnungen für durchführbar. Abg. Lenzmann
(fr. Vp.) erkennt die guten Seiten der Regierungsvorlage an, aber tadelt
die vorgeschlagenen Polizeivorschriften. - Die Anträge und die Vorlage
gehen an eine Kommission.
20. April. (Reichstagsersatzwahl.) Bei der Ersatzwahl
in Melle-Diepholz (Hannover) erhält Wamhoff (nl.) 5968, v. Bär
(Welfe) 5426, v. Pestel (kons.) 1248 Stimmen. In der Stich-
wahl wird Wamhoff mit 7953 gegen v. Bär mit 6896 Stimmen
gewählt.
20. April. (Bayerischer Landtag.) Die Kammer der
Abgeordneten genehmigt einstimmig den Antrag Lutz (kons.) auf
Erhaltung der Privatnotenbanken in vollem Umfange. Die Re-
gierung hatte den Antrag gebilligt.
20. April. (Hessen.) Die Zweite Kammer beschließt nach
dreitägiger Verhandlung in namentlicher Abstimmung mit allen
gegen acht Stimmen, die Regierung zu ersuchen, bei der Landtags-
wahl das direkte Wahlrecht einzuführen.
21. April. (Berlin.) Der Professor der Geographie, Hein-
rich Kiepert, 80 Jahre alt, †.
24. April. Die „Nordd. Allg. Zig.“ schreibt über den Trink-
spruch des Kapitän Coghlan (vgl. Nordamerika):
„Die politische Tragweite derartiger Taktlosigkeiten eines einzelnen
fremdländischen Offiziers wollen wir schon deshalb nicht überschätzen, weil
sie, wie es scheint, im angeheiterten Zustand begangen wurden. Wir
nehmen Akt davon, daß die vorgesetzte Behörde sofort Korrektur ein-
treten ließ."“
26. April. (Bayerischer Landtag.) Das Abgeordneten-
haus genehmigt einstimmig die Ausführungsbestimmungen zum
Bürgerlichen Gesetzbuche.
27. April. Der Reichstag genehmigt in 2. Beratung die
Bankvorlage, die das Grundkapital der Reichsbank auf 180 Mil-
lionen Mark erhöht. — Abg. Arendt (RP.) plädiert für Ver-
staatlichung der Reichsbank, findet aber wenig Zustimmung. (An-
nahme in 3. Beratung 28. April gegen die Stimmen der Konser-
vativen und Antisemiten.)