Die Geserreichisch-Anznische Monerchie. (Januar 18.—Februar 5.) 177
18. Januar. (Cisleithanien.) Ministerwechsel.
Der Kaiser genehmigt die erbetene Demission Witteks und ernennt
Dr. v. Koerber zum Ministerpräsidenten und zum Minister des Innern.
v. Welsersheimb wird zum Minister der Landesverteidigung, Wittek zum
Eisenbahnminister, Boehm-Bawerk zum Finanzminister, Spens-Booden zum
Justizminister, Hartel zum Kultusminister, Call zum Handelsminister. Gio-
vanelli zum Ackerbauminister, Pientak zum polnischen Landsmannminister,
Rezek zum tschechischen Landsmannminister ernannt. Die ausscheidenden
Minister treten auf ihre bisherigen Posten zurück. (Vgl. 1899 S. 204.) —
Der Ministerpräfident ladet die tschechischen und deutschen Parteien zu Ver-
ständigungskonferenzen ein.
Ende Januar. (Cisleithanien.) Die deutschen Parteien
über den Ministerwechsel und die Verständigungskonferenzen.
Die Obmännerkonferenz der deutschen Parteien der Linken billigt die
derselben von der Regierung bekanntgegebene Absicht, eine Verständigungs-
aktion mit den Deutschen und Tschechen in Böhmen und Mähren durch
Berufung von außerparlamentarischen Konferenzen von Vertrauensmännern
beider Volksstämme aus diesen Ländern einzuleiten, und gibt dabei der An-
schauung Ausdruck, daß die Vertreter aller nationalen Parteien dieser beiden
Kronländer dazu zu laden sein werden. Die Obmännerkonferenz geht jedoch
bei der Beschickung dieser Konferenzen seitens der durch sie vertretenen
deutschen Parteien von der Erwartung aus, daß der Reichsrat spätestens
noch im Laufe des Februar einberufen werde. Die Obmännerkonferenz der
deutschen Parteien der Linken legt auf die baldigste Wiederaufnahme der
verfassungsmäßigen Thätigkeit um so größeres Gewicht, als die bedrohliche
innere Lage des Reichs von Tag zu Tag dringender die Wiederherstellung
geordneter politischer und nationaler Verhältnisse erheischt. Die christlich-
soziale Partei erklärt sich mit der vom Ministerium eingeleiteten Aktion
zur Beilegung des nationalen Streites einverstanden und erblickt in den
Verständigungskonferenzen ein geeignetes Mittel zur Vorbereitung der par-
lamentarischen Erledigung der Sprachenfrage und zur Wiederherstellung der
Arbeitsthätigkeit des Parlaments. Die Partei fordert baldigste Einberufung
des Parlaments zur Beratung von wirtschaftlichen Reformen. — Die Deutsch-
Nationalen lehnen eine Beteiligung ab.
4. Februar. (Prag.) Der Klub der Jungtschechen beschließt,
der Einladung des Ministerpräsidenten zur Teilnahme an Ver-
ständigungskonferenzen zwischen Deutschen und Tschechen Folge zu
leisten. Nur die radikale Fraktion lehnt die Beteiligung ab.
5. Februar. (Wien.) Beginn der deutsch-tschechischen Ver-
ständigungskonferenzen für Böhmen und Mähren.
Ministerpräsident v. Körber begrüßt die Versammlung und dankt
deren Mitgliedern dafür, daß sie der Einladung der Regierung gefolgt seien.
Er hob den Wunsch hervor, Frieden zu stiften in diesem alten ehrwürdigen
Reiche, das schon allzulange durch den unseligen nationalen Kampf zer-
klüftet und dessen wirtschaftliches Gedeihen schwer geschädigt sei. Aus allen
Lagern werde der sehnsüchtige Wunsch nach Ruhe und Frieden vernommen.
Die nationale Frage müsse mit männlicher Ruhe auf ihren sachlichen Kern
zurückgeführt werden. Die Schwierigkeiten seien nicht so groß, daß sie nicht
überwunden werden könnten. Der Regierung schwebe als Ziel vor, die
Machtfülle des Staats in den Dienst der Kultur und der Volkswirtschaft
Europäischer Geschichtskalender. Bd. XLII. 12