Frankreich. (März 2.—24.) 229
2. März. (Paris.) Präsident Loubet empfängt den neuen
deutschen Botschafter Fürst Radolin in feierlicher Audienz.
Anfang März. Die Presse erörtert die Möglichkeit, daß der
bevorstehende Besuch eines italienischen Geschwaders in Toulon zum
Abschluß eines Uebereinkommens und zur Sprengung des Drei-
bundes führen könnte.
4. März. (Kammer.) Debatte über die chinesische Frage.
Beziehungen unter den Mächten.
Dep. D'Estournelles fragt, ob die Mächte in China eine große
Expedition ins Innere planten und welche Motive sie leiteten. Min. des
Ausw. Delcassé: Eine Expedition in das Innere Chinas, an der Kon-
tingente der Verbündeten, also auch französische Truppen, teilnehmen wür-
den, hat eine vorherige Prüfung und ein vorheriges Einvernehmen zur
Voraussetzung. Eine solche Expedition ist aber weder vorbereitet noch be-
schlossen, weder für heute noch für morgen. Ich kann D'Estournelles in
dieser Hinsicht beruhigen und gleichzeitig die Besorgnis zerstreuen, die er
ausgedrückt hat. Nun, ich gestehe, es ist weniger leicht, ihm auf die Frage
zu antworten, von welchen Gesichtspunkten die Mächte bei der gemeinsamen
Aktion sich leiten lassen. Denn ebensowenig wie er, habe ich etwas davon
gehört, daß die Mächte bei Beginn der Krisis jemand beauftragt hätten,
in ihrem Namen zu denken, zu entscheiden und zu befehlen; ich brauche
das unsern Kollegen, die die diplomatischen Bräuche viel zu gut kennen,
nicht erst zu sagen. Ebensowenig habe ich es nötig, sie zu erinnern, daß,
wenn die Angelegenheit mehrere Mächte zur Vereinigung ihrer Bestrebungen
veranlaßt, das Recht der Initiative und das Recht, Vorschläge zu machen,
unterschiedslos allen zusteht. Heute scheint diese Macht das Konzert zu
leiten, morgen wird's eine andere sein, stets aber ist's diejenige, deren An-
regungen vom klarsten und umfassendsten Gesichtspunkte des gemeinsamen
Interesses aus eingegeben zu sein scheinen; wenn die Beschlüsse der Mächte
einmal gefaßt sind, dann ist's nötigenfalls die militärische Macht, welche
die Ausführung übernimmt. Genau so trugen sich die Sachen in China
zu und tragen sich jetzt noch zu. Die Nachricht von einer Expeditton, die
D'Estournelles erregte, ist erfunden. D'Estournelles, der weiß, welchen
Einfluß und welche Wirkung ein solches Wort auf den Gang und das Er-
gebnis der Pekinger Verhandlungen haben würde, wird von mir nicht ver-
langen, daß ich hier erkläre, daß eine Expedition nicht stattfinde und daß
man keinesfalls eine solche unternehmen werde. (Lebhafter Beifall.) Ich
kann aber versichern und versichere es gerne, daß wir nicht die Absicht
haben, eine Expedition zu unternehmen und unsererseits zu einer solchen
keine Ermächtigung erteilen, wie wir uns auch nicht daran beteiligen werden
ohne ernste Gründe, die wir erst abwägen müßten.
15. März. (Marseille.) Die Dockunternehmer verlangen
von der Regierung Schutz gegen die drohende Haltung der Aus-
ständigen.
Mitte März. Die Presse konstatiert mit Genugthuung, daß
nach den Reden des Grafen Bülow kein deutsch-englisches Einver-
nehmen gegen Rußland bestehe.
24. März. Volkszählung.