122 Das Dentsche Reith und seine einzelnen Glieder. (Juni 29.)
29 Würzburger Professoren sprechen in einer Adresse dem Senat
ihre Zustimmung zu diesem Schritt aus; 17 unterzeichnen die Adresse nicht.
Am 9. August wird die Protesterklärung des Senats vom Mini-
sterium nach Form und Inhalt als ungehörig erklärt und das Rücktritts-
gesuch abgelehnt.
29. Juni. (Bonn.) Rede des Generaloberst v. Loß über
Konfessionalismus, Stellung des Vatikans zu Deutschland, die
französische Armee.
Bei einem Fest zur Feier des 25jährigen Regierungsjubiläums des
Papstes bespricht Generaloberst v. Los die Preßäußerungen zu der Aachener
Rede des Kaisers (S. 111) und führt aus: Seine Majestät hat vor wenigen
Monaten die Gnade gehabt, mich zum zweitenmale als allerhöchst seinen
Botschafter zur Ueberbringung seiner Glückwünsche an den Heiligen Vater
nach Rom zu senden. Beide Sendungen entspringen dem Vertrauen meines
kaiserlichen Herrn, mit welchem mich drei Kaiser hintereinander begnadet
haben. Sie verschafften mir die Ehre, die verehrungswürdige, edle, hoch-
bedeutende Persönlichkeit des Heiligen Vaters aus nächster Nähe kennen zu
lernen und das Glück, mir auch sein Vertrauen erworben zu haben. Es
ist seitdem ein Ziel meines Ehrgeizes, mich des beiderseitigen Vertrauens —
meines kaiserlichen Herrn und des Heiligen Vaters — würdig zu zeigen,
ein Ziel, welches mit meiner Vaterlandsliebe nicht allein vollkommen ver-
einbar, sondern eine Pflicht ist. Weshalb, ist für jeden vorurteilsfreien
und einsichtigen Patrioten klar. Ich habe neulich in einer Ansprache an
meine alten Husaren an den denkwürdigen Ausspruch des unvergeßlichen
Reichskanzlers, des Fürsten Bismarck, erinnert: „Wir Deutsche fürchten
niemanden außer Gott.“ Der Ausspruch ist heute wahr und wird es
bleiben, aber nur unter der Voraussetzung, daß wir den deutschen Erb-
fehler, die elenden konfessionellen Zänkereien, unterlassen, und daß wir alle
ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses treu zusammenhalten — Pro-
testanten, Katholiken und Israeliten. Meine Herren, ich nenne von dieser
Stelle die Israeliten mit Vorbedacht, weil ich weiß, daß ich damit im
Geiste des Stifters unserer heiligen Religion spreche, welcher das Vorbild
der Duldsamkeit ist, im Sinne meines kaiserlichen Herrn, welcher sich in
seiner prachtvollen Rede Gott sei Dank unter das Kreuz gestellt hat, im
Sinne des Heiligen Vaters, welcher in seiner hohen christlichen Auffassung
alle Andersgläubigen, die ehrlich sind, mit derselben Liebe und Achtung
umfaßt. Ich nenne die Israeliten aber nicht allein als Christ, ich nenne
sie auch als Soldat, denn ich finde nun einmal in dem christlichen und
dem Soldatenkatechismus keine Widersprüche. Von diesem Standpunkte
und in diesem Sinne habe ich vor vierzehn Tagen in diesen Räumen zu
meinen alten Husaren gesprochen. Protestanten, Katholiken und Israeliten,
denn auch die letztgenannten hatten sich im stolzen Bewußtsein ihrer
Regimentsangehörigkeit zu meiner Freude hier zusammengefunden. Ja,
wahrhaftig, zu meiner Freude! denn unter ihnen befindet sich einer der
tapfersten Husaren des Feldzuges, ein Bonner Kind. Auch er lebt unter
dem Zeichen des Kreuzes, denn er ist für seine Tapferkeit mit dem Eisernen
Kreuze geschmückt, und ich drücke ihm bei jeder Begegnung die Hand, weil
ich ihn hochachte. Wie ich nachträglich vernommen, sollen meine damaligen
Worte bei einigen Zeloten Aergernis erregt haben, namentlich meine Be-
rufung auf den Heiligen Vater. Wenn dies wahr ist, so muß ich mich
mit dem Gedanken trösten, daß die Eiferer wahrscheinlich zu jung sind,
um den Krieg gesehen zu haben und deshalb die Soldatensprache nicht