Das Denisqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (November 21. 25.) 167
nahmen über bestimmte Gelder im voraus zu verfügen. Schatzsekretär
Frhr. v. Thielmann: Der Antrag habe zwar eine löbliche Absicht, aber er
verstoße gegen die Franckensteinsche Klausel und sei bei der ungünstigen
Finanzlage inopportun. Man müsse mit einem Fehlbetrag von 150 Mil-
lionen Mk. rechnen und an neue Belastung von Bier und Tabak denken.
Abg. Molkenbuhr (Soz.): Die Tabaksteuer werde Hunderttausende von
Arbeitern dem Verhungern preisgeben. Die Unterstützung der Witwen
und Waisen werde bei der Verteuerung der Lebensmittel viel zu gering
sein. Abg. Graf Kanitz (kons.): Die Erträge des künftigen Tarifes seien
ganz ungewiß; der Zentrumsantrag verkaufe das Fell des Bären, ehe er
erlegt sei. — Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte wird der Zentrums-
antrag mit 143 gegen 106 Stimmen angenommen.
24. November. (Bayern.) In München tritt unter dem
Vorsitz des Ministers des Innern v. Feilitzsch eine Kommission
zusammen, die über die Versorgung der Städte mit Fleisch be-
raten soll.
25. November. (Württemberg.) Die Steuerkommission
der Kammer der Standesherren beschließt, entgegen dem Beschlusse
der Abgeordnetenkammer, den Steuersatz bei der Steuerreform im
Maximum auf 6 v. H. zu erhöhen, einstimmig die Herabsetzung
auf 4½ v. H. Ebenso hält sie an der Forderung des Budget-
rechtes für die Einkommensteuer fest.
November. (Essen.) Tod Krupps. — Anklage des „Vor-
wärts“; Preßdiskussion.
Der „Vorwärts"“ bringt eine Anklage gegen Friedrich Alfred Krupp,
den Besitzer der großen Essener Werke, er habe sich während seines Auf-
enthaltes in Capri gegen § 175 des Strafgesetzbuchs vergangen und sei
deshalb aus Italien ausgewiesen worden. Diese Behauptung wird von
der italienischen Regierung dementiert; Krupp erhebt Anklage wegen Be-
leidigung gegen den „Vorwärts“. Unmittelbar darauf erleidet Krupp
einige Schlaganfälle und stirbt, 48 Jahre alt (22. November).
In der bürgerlichen Presse wird der Tod auf die durch die Ver-
leumdung hervorgerufene Aufregung zurückgeführt und der „Vorwärts“
aufs schärfste getadelt, weil er über die Unwahrheit der Beschuldigung, die
von einer italienischen Erpressergesellschaft erfunden sei, selbst keinen Zweifel
gehabt habe. Der „Vorwärts"“ erwidert hierauf: Unsere Kenntnis der An-
gelegenheit beruht im wesentlichen nicht auf italienischen Gewährsmännern
— soweit wir italienische Quellen benutzt haben, sind wir durchaus zuver-
lässigen und ernsthaften Männern gefolgt —, sondern wir haben sie ge-
schöpft aus gänzlich anders gearteten lauteren Quellen, die abseits jeder
Privatleidenschaft, jedes persönlichen Interesses, jedes politischen Hasses
fließen. Und auf Grund dieser Informationen stellen wir mit ruhiger,
fester Ueberzeugung als unumstößlich die volle Wahrheit unserer Andeu-
tungen fest. Wir wollten an dem Falle eines besonders bekannten Namens
die Notwendigkeit der Aufhebung jenes § 175 erweisen, der für viele Un-
glückliche eine stete Geißel ist, der nicht nur das Laster den Erpressern und
den Richtern ausliefert, sondern auch das Verhängnis eines Naturirrtums
ewig bedroht und, wie wissenschaftlich feststeht, eine furchtbare Zahl von
Selbstmorden verursacht hat — die Beseitigung einer gesetzlichen Bestim-