168 Ne Venische Reich und seine einjelnen Glieder. (November 26.)
mung, die überdies einen klaffenden Widerspruch des geschriebenen Gesetzes
und seiner Anwendung zur Folge hat und den Willen der Polizei zum
Schicksal über zahlreiche Existenzen macht. Darum erwähnten wir den
Fall, darum machten wir darauf aufmerksam, daß in Deutschland solche
Personen der Willkür des Paragraphen rettungslos ausgeliefert seien.
Diese Darstellung wird von der bürgerlichen Presse durchweg als
Heuchelei bezeichnet.
Nach dem Tode Krupps läßt seine Witwe die Privatklage fallen,
hierauf stellt auch die Staatsanwaltschaft, die Anklage erhoben hatte, weil
Krupp Mitglied des Staatsrats war, die Untersuchung gegen den „Vor-
wärts“ ein. Die Einstellung der Klage wird vielfach bedauert.
26. November. (Essen.) Der Kaiser nimmt teil an der
Begräbnisfeier für Krupp und hält darauf an die Mitglieder des
Direktoriums und die Vertreter der Arbeiterschaft der Kruppschen
Werke folgende Ansprache:
Es ist Mir ein Bedürfnis, Ihnen auszusprechen, wie tief Ich in
Meinem Herzen durch den Tod des Verewigten ergriffen bin. Die gleiche
Trauer läßt Ihre Majestät die Kaiserin Ihnen allen aussprechen und hat
sie bereits schriftlich Frau Krupp zum Ausdruck gebracht. Ich habe häufig
mit Meiner Gemahlin die Gastfreundschaft im Kruppschen Hause genossen
und den Zauber der Liebenswürdigkeit des Verstorbenen auf mich wirken
lassen. Im Laufe der Jahre gestalteten sich unsere Beziehungen so, daß
Ich Mich als Freund des Verewigten und seines Hauses bezeichnen darf.
Aus diesem Grunde wollte Ich es Mir nicht versagen, zu der heutigen
Trauerfeier zu erscheinen, indem Ich es für Meine Pflicht gehalten, der
Witwe und den Töchtern Meines Freundes zur Seite zu stehen. Die be-
sonderen Umstände, die das traurige Ereignis begleiteten, sind Mir zugleich
Veranlassung gewesen, Mich als Oberhaupt des Deutschen Reiches hier ein-
zufinden, um den Schild des Deutschen Kaisers über dem Hause und dem
Andenken des Verstorbenen zu halten. Wer den Heimgegangenen näher
gekannt hat, wußte, mit welcher feinfühligen, empfindsamen Natur er be-
gabt war, und daß diese den einzigen Angriffspunkt bieten konnte, um
ihn tödtlich zu treffen. Er ist ein Opfer seiner unantastbaren Integrität
geworden. Eine Tat ist in deutschen Landen geschehen, so niederträchtig
und gemein, daß sie aller Herzen erbeben gemacht und jedem deutschen
Patrioten die Schamröte über die Wange treiben mußte über die unserem
Volke angetane Schmach. Einem kerndeutschen Manne, der stets nur das
Wohl des Vaterlandes, vor allem aber das seiner Arbeiter im Auge ge-
habt, hat man an seine Ehre gegriffen. Diese Tat mit ihren Folgen ist
weiter nichts als Mord, denn es besteht kein Unterschied zwischen dem-
jenigen, der einen Gifttrank einem anderen mischt und kredenzt, und dem-
jenigen, der aus dem sicheren Versteck seines Redaktionsbureaus mit den
vergifteten Pfeilen seiner Verleumdungen einen Mitmenschen um seinen
ehrlichen Namen bringt und durch die hierdurch hervorgerufenen Seelen-
qualen tötet. Wer war es, der diese Schandtat an unserem Freunde be-
ging? Männer, die bisher als Deutsche gegolten haben, jetzt aber dieses
Namens unwürdig sind, hervorgegangen aus der Klasse der deutschen Ar-
beiterbevölkerung, die Krupp so unendlich viel zu verdanken hat und von
der Tausende in den Straßen Essens heute mit tränenfeuchtem Blick dem
Sarge ihres Wohltäters ein letztes Lebewohl zuwinkten. (Zu den Ver-
tretern der Arbeiter gewendet): Ihr Kruppschen Arbeiter habt immer treu
zu Euerem Arbeitgeber gehalten und an ihm gehangen. Die Dankbarkeit