Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

188 Die österreitisch-nugarische Monarhie. (Februar 13. — 24.) 
Falle mit großen Kosten durch freiwillig länger Dienende zu gewinnen 
suchen. Es sei deshalb das Zweckmäßigste, durch eine entsprechende Er- 
höhung der Friedenskontingente die Beurlaubung wirklich Berechtigter in 
größerem Maße zu ermöglichen. 
13. Februar. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Debatte über 
die Reise des Thronfolgers. 
In der Presse war ausgeführt worden, daß der Erzherzog als 
ungarischen Begleiter den Grafen Johann Zichy in seinem Gefolge haben 
wollte. Der ungarische Ministerpräsident Szell erhob dagegen Vorstellung 
beim Könige, da Graf Zichy Präsident der klerikalen Volkspartei ist und 
seine Berufung in das Gefolge daher einen parteipolitischen Beigeschmack 
haben könnte. So unterblieb die Ernennung eines ungarischen Begleiters 
ganz. Die Budapester Blätter liberaler Richtung tadeln den Erzherzog, 
weil er sich durch die Designierung Johann Zichys zu der in Ungarn 
herrschenden Volksströmung in Gegensatz gestellt habe. — Im Abgeord- 
netenhause wird infolgedessen eine Interpellation eingebracht, worauf 
Ministerpräsident v. Szell erwidert: Der Besuch in St. Petersburg ist ein 
Höflichkeitsakt gewesen, welcher wohl den Zweck hatte, das Verhältnis 
zwischen beiden Höfen inniger zu gestalten, aber keinen politischen und 
staatsrechtlichen Charakter besaß. Die Wahl der Begleiter des Erzherzogs 
hatte einen persönlichen Charakter; diesen Charakter büßte die Frage erst 
in dem Augenblick ein, als die Wahl des Erzherzogs auf den Grafen 
Johann Zichy gefallen war, dessen hervorragende Eigenschaften er, Redner, 
hochschätze, der aber der Führer einer oppositionellen Fraktion sei. Des- 
halb habe die Wahl desselben als Begleiter des Erzherzogs als mit den 
Grundsätzen des Parlamentarismus in Widerspruch stehend angesehen werden 
müssen, da man darin eine Stellungnahme des Erzherzogs erblickt haben 
würde, die mit den konstitutionellen Grundsätzen nicht in Einklang stehe. 
Diese schwerwiegenden Bedenken habe er, der Ministerpräsident, der zu- 
ständigen Stelle unterbreitet, wo dieselben sofort als begründet anerkannt 
worden seien. 
Februar. Streik und Unruhen in Triest. 
Die Triester Hafenarbeiter legen die Arbeit nieder, weil die Lloyd- 
verwaltung eine Herabsetzung der Arbeitszeit um 2⅛ Stunden ablehnt. 
Dem Ausstand schließen sich zahlreiche andere Arbeiter an, so daß ein 
Generalstreik ausbricht, der Straßenbahnverkehr eingestellt wird, die Zei- 
tungen nicht erscheinen und der Frachtverkehr aufhört. Bei Ausschreitungen 
der Ausständigen gegen die Lloydgebäude kommt es zu Angriffen auf das 
Militär und die Polizei, wobei mehrere Arbeiter getötet werden (14. Fe- 
bruar). Infolgedessen wird das Standrecht und der Ausnahmezustand in 
Triest verkündet. 
18. Februar. (Cisleithanien.) Das Abgeordnetenhaus 
lehnt einen Antrag der Sozialdemokraten, die Ausnahmebestim- 
mungen in Triest sogleich aufzuheben, mit großer Majorität ab, 
nachdem Ministerpräsident v. Körber die Verfügungen begründet hat. 
24. Februar. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Budget. 
Erklärungen Körbers über den Parlamentarismus und Staatsstreich 
und über den ungarischen Ausgleich. 
Von mehreren Seiten wird dem Ministerpräsidenten wegen seiner
	        
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