Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Die erreichisch- ungarische Menarchie. (März 21.—April 16.) 193 
Rente in der Höhe von 59,7 Millionen Kronen auszugeben. In der Be- 
gründung heißt es: Ein bedeutender Teil des Gesamtumlaufs des Kredit- 
geldes ist mit Gold gedeckt. Die Golddeckung ist in solchem Verhältnisse 
vorhanden, daß wir den Vergleich mit jedem Staat mit geordnetem Geld- 
wesen glänzend bestehen können. Man kann mit Rücksicht auf den bereits 
vorhandenen Goldumlauf sagen, unsere Landeswährung ist schon Gold- 
währung und es ist der feste Wille der Regierung, daß sie auch eine for- 
melle Goldwährung sei. Die Summe der zu konvertierenden Titres wird 
mit 1036902981 Kronen angegeben. Die Bedingungen des Konversions- 
vertrages sichern eine Zinsenersparnis von 0,3 Prozent im Jahre. Mit 
Einschluß der wegfallenden Annuitäten für die Amortisation wird die 
jährliche Ersparnis auf 6⅛ Millionen Kronen beziffert. 
21. März. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Cillifrage. 
Die Budgetkommission hatte einen deutschliberalen Antrag, die slo- 
venischen Parallelklassen an dem Gymnasium in Cilli, also in einer Stadt 
mit vorwiegend deutscher Bevölkerung, aufzuheben und dafür in Marburg 
(Steiermark) ein selbständiges slovenisches Untergymnasium zu errichten, 
angenommen. Im Plenum wird der Antrag mit 203 gegen 170 Stimmen 
abgelehnt, da die Italiener, die in der Kommission dafür gestimmt hatten, 
dagegen stimmen, und die Mehrheit der Deutsch-Klerikalen entweder da- 
gegen stimmt oder sich enthält. — Infolge der Abstimmung kommt es zu 
stürmischen Angriffen der deutschen Linken gegen die Klerikalen und Italiener. 
23. März. (Ungarn.) Koloman Tisza, 1875 bis 1890 
Ministerpräsident, 71 Jahre alt, 1. 
1. April. (Fiume.) Es beginnt ein Generalausstand der 
Hafenarbeiter. 
Anfang April. (Cisleithanien.) Unter den deutschen Par- 
teien macht sich eine stärkere Neigung zur entschiedenen Opposition 
geltend. Die deutsche Volkspartei tritt aus der deutschen Ob- 
männerkonferenz aus, weil die Christlich= Sozialen und der ver- 
fassungstreue Großgrundbesitz sich nicht an der Opposition beteiligen 
wollen. 
8. April. Besuch des deutschen Reichskanzlers Graf Bülow 
in Wien. 
16. April. (Ungarn.) Der „Budapesti Hirlap“" schreibt 
über den Gegensatz zwischen der österreichischen und ungarischen 
Regierung in der Zollfrage: 
Ministerpräsident Szell wünscht gleichmäßige Zollerhöhungen für 
Produkte der Landwirtschaft und Industrie. Diese Zollerhöhungen sollen 
Ungarn Schadenersatz bieten für den Wegfall des deutschen Marktes durch 
den deutschen Zolltarif. Ministerpräsident Körber wünscht ungleichmäßige, 
besonders hochgespannte Industriezölle. Oesterreich will aus dem deutschen 
Zolltarif Nutzen ziehen und seine industrielle Alleinherrschaft in Ungarn, 
selbst um den Preis eines Zollkrieges mit Deutschland, sichern. Körbers 
Forderungen würden die Rückkehr zum Vertragsverhältnis mit Deutsch- 
land ebenso erschweren wie die überspannt hohen Zölle der deutschen Agra- 
rier. Szell hingegen wünscht, dem genannten Budapester Organ zufolge, 
Europäischer Geschichtskalender. X . 1III. 13
	        
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