252 Stalien. (Februar—März 14./15.)
Februar. (Oberitalien.) Streik der Eisenbahnarbeiter.
Die Eisenbahnbeamten verlangen eine Abänderung der organici und
proklamieren einen Ausstand, um sie zu erzwingen. Infolgedessen erläßt
der Kriegsminister eine Bekanntmachung, daß alle noch im Militärverhält-
nis befindliche Eisenbahnbeamte und Eisenbahnbedienstete sich als zum
Militärdienst einberufen zu betrachten haben. Es soll ihnen dadurch die
Möglichkeit genommen werden, sich an einem etwaigen Strike zu beteiligen,
da 7 nun unter militärischer Disziplin stehen und ohne grobe Verfehlung
gegen dieselbe ihre dienstlichen Funktionen nicht einzustellen vermögen. Ein
Teil des Eisenbahnpersonals soll durch Militär ersetzt werden, es wird des-
halb die Jahresklasse 1878 der Reserve zu den Waffen einberufen (24. Febr.).
— An diesen Maßregeln scheitert der Ausstand nach wenigen Tagen.
3. März. (Rom.) Der König lehnt die Demission des
Ministeriums ab.
März. Streiks und Unruhen.
Die „Riforma Soziale“" veröffentlicht eine Statistik der Arbeiter-
bewegung in den letzten drei Jahren. Die „Tägl. Rundschau“ berichtet
darüber: „Aus derselben geht hervor, daß besonders die Landarbeiter in
erheblicher Weise durch die Streiks ihre Lage gebessert haben. Im Jahre
1889 hatten wir nur 9 Streiks auf dem Lande, während diejenigen in den
Jahren 1900 und 1901 so zahlreich gewesen sind, daß sie bis heute nicht
einmal gezählt werden konnten. Bemerkenswert ist noch, daß 1900 zwei-
mal die Soldaten zu den Erntearbeiten abkommandiert wurden. In der
Provinz Mantua haben durch Arbeitsniederlegung oder durch Androhung
derselben etwa 50 000 Familien ihre Lage um 15 v. H. im Jahre gebessert.
Die Leute beziehen jetzt durchschnittlich im Jahre 400 Lire. Der Tages-
lohn schwankt zwischen 1,90 Lire im Sommer und 1,15 im Winter. Im
Gebiete Polesine haben gleichfalls die Landleute ihre Lage um 15 bis 25
v. H. gebessert. Der Tageslohn beträgt 83 Centesimi im Winter und steigt
bis zu 1,52 Lire im Juli. In der Provinz Novara entstanden in drei
Monaten 127 Streiks mit ungünstigem Ausgang für die Arbeiter. Nur
in einzelnen Gemeinden wurde eine Lohnaufbesserung erzielt. In der Pro-
vinz Verona legte sich die Regierung ins Mittel und vereinbarte in 34 Ge-
meinden eine Lohnerhöhung von 20 v. H. für die Arbeiter. In der Um-
gebung von Parma beträgt das Ergebnis von 70 Streiks eine jährliche
Lohnaufbesserung von 90 Lire auf den Kopf. Einen noch besseren Erfolg
hatte die Bewegung in der Provinz Ferrara, wo die Tageslöhne teilweise
um 70 Centesimi, ja um eine Lira stiegen. Im Bolognesischen, in der
Aemilia, im Bergamaskischen zielten die Streiks besonders auf die Besserung
der Arbeitsverträge hin. Dieses Ziel wurde zum Teil erreicht. In der
Romagna setzten die Arbeiterinnen in den Reisfeldern ohne Streik für eine
neunstündige Tagesarbeit den Lohn von einer Lira durch. In der Um-
gebung von Vercelli bequemten sich die „padroni“ dazu, statt dreizehn
Stunden am Tag nur zehn Stunden arbeiten zu lassen. In dieser Weise
geht es weiter mit der Bewegung, von den Alpen angefangen bis nach
Sizilien."“
Im März finden im Süden, z. B. in Cosenza und Cassana leb-
hafte Ausschreitungen statt, gegen die Truppen aufgeboten werden.
10. März. Die Kammer wählt den Regierungskandidaten
Biancheri mit 350 von 402 abgegebenen Stimmen zum Präsidenten.
14./15. März. (Kammer.) Debatte über die innere und