Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 16.) 19
Verschiedenheit der Marken sind geringfügig. Das Reservatrecht Bayerns
steht in engem Zusammenhang mit der eigenen Postmarke. Aus den Be-
stimmungen des Versailler Vertrages und des Artikels 52 der Reichs-
verfassung ergibt sich klar, daß die Post für Bayern eine Verkehrsanstalt
ist, deren selbständige Verwaltung nur beschränkt ist durch Aenderungen,
die das Reich im Wege der Gesetzgebung über die durch Artikel 52 Absatz 2
der Reichsverfassung bezeichneten Gegenstände erläßt, sowie durch die dem
Reiche zustehende Regelung des Verkehrs mit dem Auslande mit Ausnahme
des eigenen unmittelbaren Verkehrs Bayerns mit seinen Nachbarstaaten.
16./20. Januar. (Reichstag.) Unterstützung von Veteranen.
Infolge einer Interpellation des Abg. Arendt (RP.) über die Unter-
stützung bedürftiger Feldzugsteilnehmer sprechen sich alle Redner für eine
Erhöhung der Veteranenbeihilfen aus. (Vgl. Jahrg. 1901 S. 6, 89.) Schatz-
sekretär v. Thielmann verweist auf die ungünstige Finanzlage. — Am
20. Januar wird die Regierung einstimmig aufgefordert, durch einen Nach-
tragsetat zum Reichshaushaltsetat für das Rechnungsjahr 1901 die Aus-
zahlung aller auf Grund des Gesetzes vom 22. Mai 1895 bewilligten Bei-
hilfen an Kriegsteilnehmer vom 1. Januar 1902 ab herbeizuführen.
Mitte Januar. In der Zolltarifkommission des Reichstags
beginnen die sozialdemokratischen Mitglieder Obstruktion durch die
Einbringung zahlreicher Anträge.
16. Januar. Vertrag über die Main-Neckarbahn.
Es wird ein Vertrag zwischen Preußen, Hessen und Baden vom
14. Dezember 1901 veröffentlicht, der die Verwaltung der Main-Neckarbahn
vereinfacht. Die Bahn wird vom 1. Oktober 1902 ab durch die preußische
und hessische Eisenbahndirektion in Mainz unter Oberaufsicht der Zentral-
stelle der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft mitverwaltet. Bei der
Eisenbahndirektion in Mainz wird eine Mitgliedsstelle von der badischen
Regierung besetzt. Die bisher von der Main--Neckarbahn für Rechnung
der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft verwalteten hessischen Neben-
bahnen treten am 1. Oktober 1902 in die preußisch-hessische Betriebsgemein-
schaft ein.
16. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) In-
dustrie, Landwirtschaft, Kanalfrage, Ministerernennung, Zölle.
Abg. v. Heydebrand (kons.) bespricht die Not der Landwirtschaft
und fordert höhere Zölle, als sie der Zolltarif verspricht. Finanzminister
Frhr. v. Rheinbaben: Ich warne davor, die verbündeten Regierungen
noch weiterzudrängen, als sie selbst vorgeschlagen hatten. Sie alle wissen,
wie außerordentlich schwierig das ganze Werk ist, wie es nur zu stande
kommen kann, wenn man sich auf eine Mittellinie vereinigt. Diese Mittel-
linie haben die verbündeten Regierungen zu ziehen gesucht, und ich kann
im allgemeinen Interesse und im speziellen Interesse der Landwirtschaft
nur bitten, nicht über diese Linie hinauszugehen, sonst gefährdet man unter
Umständen auch das, was die verbündeten Regierungen für die landwirt-
schaftliche Zollpolitik dringend wünschen. Abg. Fritzen (Z.): Für die
Industrie lägen die Verhältnisse noch ungünstiger als im Vorjahre; einen
Teil der Schuld trage das Kohlensyndikat, das seine Preise hätte herab-
setzen müssen. Abg. Nölle (nl.) verlangt baldige Wiedereinbringung der
Kanalvorlage. Abg. Richter (fr. Vp.) tadelt die agrarische Politik der
Regierung und den Absolutismus in den Ministerernennungen. Warum
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