NRerd-Amerika. (Dezeniber 2.) 315
Die Botschaft beginnt mit der Erklärung, daß die letzten vier Jahre
den Vereinigten Staaten einen Platz unter den großen Mächten angewiesen
hätten. „Wir schrecken nicht vor dem vor uns liegenden Kampfe zurück;
wir haben zwar mit großen Problemen im Auslande und noch größeren
daheim zu tun, aber wir können sie sehr wohl lösen. Der gegenwärtige
hohe Stand materieller Wohlfahrt ist die Folge der über ein Jahrhundert
währenden Entfaltung wirtschaftlicher Kräfte, unserer Gesetze, unserer be-
ständigen Politik und vor allem der hohen durchschnittlichen Eigenschaften
der Bürger.“ Allerdings sei mit so viel Gutem auch vieles Ueble groß
geworden, an dessen Beseitigung mit Geduld und praktischem Verstande
gegangen werden solle. Die Erfahrung eines Jahres habe bewiesen, daß
die in der letzten Botschaft vorgeschlagenen Maßnahmen sich empfehlen.
Ungeachtet der Unverletzlichkeit des Eigentums müßten Verbände, nament-
lich Vereinigungen von Verbänden einer Regelung durch öffentliche Vor-
schriften und der nationalen Aufsicht unterworfen werden. Sie seien nicht
zu beseitigen; sie seien im Gegenteil die unvermeidliche Entwicklungsform
des modernen Industrialismus. Ihre Vernichtung würde also nur unter
äußerster Schädigung des ganzen politischen Gemeinwesens möglich sein.
Die Vereinigungen sollten nicht angegriffen, sondern es solle nur alles
darin enthaltene Ueble beseitigt und eine solche Regelung getroffen werden,
daß sie dem allgemeinen Wohle dienen. Bei der Regelung müsse dafür
Sorge getragen werden, daß große Unternehmungen, welche eine Herab-
minderung der Produktionskosten erzielten, nicht gehemmt und daß der
Platz, den das Land in der Führung der internationalen industriellen
Welt gewonnen hat, nicht aufgegeben werde. Eine der wichtigsten Auf-
gaben des Kongresses sei die Regelung des Handels zwischen den Staaten
der Union. Die Monopole seien ungerecht und schädigten oder verhinderten
den freien Wettbewerb. „Kraft der Befugnis des Kongresses, den Handel
mit fremden Nationen und unter den Staaten der Union zu regeln,
können die mit der Trustbildung in Verbindung stehenden Uebel und die
den inneren Handel schädigenden Betriebsmaßnahmen verhindert werden.“
Wenn es sich als unmöglich erweisen sollte, durch ein Gesetz in diesem
Sinne die erwähnte Aufgabe zu lösen, so sollte man vor der Abänderung
der Verfassung, um die dazu nötige Befugnis zu schaffen, nicht zurück-
schrecken. Durch Herabsetzung des Zolltarifes würde an den mit den Trusts
verbundenen Mißständen nichts geändert, vielmehr nur die Fabrikation
weniger gewinnbringend gestaltet und namentlich der schwächere einheimische
Mitbewerber unvermeidlich dem Untergange geweiht werden. Die Aufgabe
der Tarifpolitik sei es nicht, ausländischen Produkten durch unzweckmäßige
Tarifänderungen einen Vorteil auf dem heimischen Markte einzuräumen,
sondern dem heimischen Wettbewerbe durch eine geeignete Gesetzgebung ein
günstiges Feld zu schaffen. Die Frage der Regelung der Trusts habe mit
der Frage der Tarifrevision nichts zu tun. Was die letztere angehe, so
stimmte das Volk dem Grundsatze des Schutzzolltarifes zu. Es sei äußerst
unrätlich, das bestehende System zu beseitigen, oder gewaltsame oder radi-
kale Aenderungen an denselben vorzunehmen. Die Erfahrung habe gezeigt,
daß großes Gedeihen des Landes sich stets unter einem Schutzzolltarif
entfaltete. Besser sei es, zeitweilig kleine Uebelstände im Tarifwesen zu
ertragen, als rasche und ruckweise Aenderungen vorzunehmen. Wenn es
auch wünschenswert sei, bei Festhaltung des Prinzips dessen Durchführung
den Veränderungen der nationalen Bedürfnisse anzupassen, so sei doch als
Richtschnur festzuhalten, daß der Grundgedanke des ganzen Tarifsystems
der sei, für die amerikanischen Geschäftsinteressen mindestens volle Gleich-
heiten mit denjenigen des Auslandes herzustellen, so daß der Zoll die