Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Vord-Inerika. (Dezember 9.—Ende.) 317 
keiten unter den zivilisierten Völkern zu schlichten. Die Errichtung eines 
Schiedsgerichtshofes im Haag sei in dieser Hinsicht ein gutes Omen, es 
würde weit besser sein, ein solches permanentes Tribunal, wenn immer 
möglich anzurufen, als für einen bestimmten Zweck spezielle Schiedsrichter 
zu ernennen. Mit Columbien seien Verhandlungen im Gange, um seine 
Zustimmung zum Bau des Kanals über den Isthmus durch die Ver- 
einigten Staaten zu erlangen. Keine unabhängige Nation in Amerika 
brauche irgendwelche Furcht zu hegen, von den Vereinigten Staaten an- 
gegriffen zu werden. Jede müsse aber Ordnung in ihren Grenzen halten 
und ihre Verpflichtungen gegen die Ausländer erfüllen. Wenn sie dies 
tun, mögen sie, seien sie stark oder schwach, versichert bleiben, daß sie nichts 
von einer Einmischung von außen zu fürchten haben. Bezüglich der 
Philippinen habe sich keine Politik so gerechtfertigt, wie die dort von den 
Amerikanern verfolgte. An die Ankündigung, die Armee werde auf das 
gesetzlich zulässige Minimum herabgesetzt werden, knüpft Roosevelt die Be- 
merkung, ein Generalstab sei dringend nötig. Auch die Flotte müsse 
weitere Fortschritte machen, da gewisse Unternehmungen der auswärtigen 
Politik den Besitz einer erstklassigen Flotte verlangen. Die Monroe-Doktrin 
solle als Grundzug der amerikanischen auswärtigen Politik behandelt 
werden und die Durchführung dieses Grundsatzes sei nur beim Besitz einer 
durchaus guten Flotte möglich. Es sei gegenwärtig keine Wolke am poli- 
tischen Horizont der Vereinigten Staaten und nicht die geringste Aussicht 
auf Schwierigkeiten mit irgend einer anderen Macht vorhanden. Der 
Präsident hoffe von Herzen, daß dieser Zustand dauernd sein möge, der 
Weg aber, die Fortdauer dieses Zustandes zu sichern, sei eine schlag- 
fertige Flotte. 
9. Dezember. Veröffentlichung des Gegenseitigkeitsvertrages 
mit Kuba. 
Der Vertrag soll fünf Jahre in Kraft bleiben und eine 20prozentige 
Zollermäßigung für alle Produkte aus Cuba gewähren mit einer weiteren 
20prozentigen Bevorzugung für Cuba, wenn die Vereinigten Staaten 
ähnliche Verträge mit anderen Mächten abschließen. Für amerikanische 
Erzeugnisse, die nach Cuba eingeführt werden, ist eine Durchschnittsermäßi- 
gung von 30 Prozent angesetzt. 
16. Dezember. (Washington.) Verhandlung Italiens mit 
den Vereinigten Staaten über Venezuela. 
Der italienische Botschafter erklärt dem Staatssekretär Hay, daß 
Italien gehofft habe, ebenso wie Frankreich eine befriedigende Regelung 
der Forderungen an Venezuela zu erlangen. Es habe daher eine in ent- 
schiedenen, aber höflichen Worten gehaltene Note, nachdem Deutschland 
und England Ultimatums gestellt haben, an Venezuela gerichtet. Der 
Ton der Antwort, in der die italienischen Forderungen abgelehnt wurden, 
sei aber für Italien durchaus beleidigend gewesen. Italien sah sich daher 
genötigt, sich der Flottendemonstration Deutschlands und Englands anzu- 
schließen. Italien werde genau nach der Auslegung handeln, die Prä- 
sident Roosevelt der Monroe-Doktrin gegeben habe. — Der Staatssekretär 
stimmt durchaus zu. 
Ende Dezember. Schiedsgericht in der Venezuelafrage. 
Deutschland, England und Italien ersuchen den Präsidenten Roose- 
velt das Schiedsgericht in dem Streite mit Venezuela zu übernehmen 
Falls der Präsident ablehnt, erklären sie sich bereit, den Streit unter ge- 
 
	        
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