Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Nebersicht der pyeolitischen Entwickelnug des Jahreo 1902. 335 
Die chinesische Angelegenheit, die im vorigen Jahre zu 
einem gewissen Abschluß gekommen war, hat wiederum Anlaß zu 
diplomatischen Aktionen gegeben. Es war seit dem chinesischen 
Kriege offenkundig, daß einerseits Rußland den dauernden Besitz 
der Mandschurei erstrebte, um einen eisfreien Zugang zum Meere 
zu erhalten und stets einen Druck auf den Hof in Peking ausüben 
zu können, daß anderseits die englische Regierung die Mandschurei 
zu retten und den Einfluß Rußlands vom Süden auszuschließen 
wünschte. Ihre Absicht, diesem Bestreben, den Yangtsevertrag mit 
Deutschland (vom 16. Oktober 1900) dienstbar zu machen, ging 
nicht in Erfüllung, da nach Graf Bülows Erklärung (S. 44) 
Deutschland keinen Anteil an dem Schicksal der Mandschurei nimmt. 
Dagegen fand England einen wertvollen Helfer in Japan. Der 
japanischen Regierung ist Rußlands Stellung in der Mandschurei 
sowohl mit Rücksicht auf Peking wie auf Korea widerwärtig; auf 
Rußlands Betreiben war im Jahre 1895 die Koalition gebildet 
worden, die die japanischen Eroberungen einschränkte, jede Zurück- 
drängung des russischen Einflusses mußte daher in Tokio will- 
kommen sein. Beide Mächte schlossen einen Vertrag (S. 218) zum 
Schutz der Integrität Chinas und ihrer Interessen in China und 
Korea; sie sagten sich militärische Unterstützung zu, wenn eine von 
ihnen in Verwicklung mit einer fremden Macht geriete und eine 
dritte Macht den Gegner unterstütze: eine deutliche Spitze gegen 
das russisch-französische Einverständnis, das sich während der chine- 
sischen Wirren wiederholt bemerkbar gemacht hatte. Rußland und 
Frankreich blieben die Antwort nicht schuldig; in der Form einer 
Zustimmung zu der ostensibeln Absicht des englisch-japanischen Ver- 
trages, den gegenwärtigen Zustand in Ostasien erhalten zu wollen, 
sprachen sie deutlich ihren Vorsatz aus, jede Schädigung ihrer 
Interessen gemeinsam abweisen und bei neuen innerchinesischen 
Wirren gemeinsam handeln zu wollen (20. März). Ihr euro- 
päisches Bündnis ist damit auf Ostasien ausgedehnt worden, so 
daß sich jetzt hier zwei Allianzen mißtrauisch gegenüberstehen. An 
dem tatsächlichen Zustande ist hierdurch noch nichts geändert worden; 
Rußland hat zwar der chinesischen Regierung die Räumung der 
Mandschurei zugesichert (S. 286), aber es hat seine Verpflichtung
	        
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