28 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 29.)
den Gesetzentwurf über die Parität der evangelischen und katholischen Be-
völkerung hin, der dem braunschweigischen Landtag vorliegt und von diesem
sicherlich angenommen werde.
29. Januar. Erlaß des Staatssekretärs des Reichsmarineamts.
Diskussion über Flottenfragen.
Der „Vorwärts“ veröffentlicht folgenden vertraulichen Erlaß des
Staatssekretärs v. Tirpitz vom 6. Januar:
Bei Aufstellung der Berechnungen zum jetzigen Flottengesetz diente
als Grundlage für die Gesamtentwickelung der Marine lediglich der Ge-
sichtspunkt, jährlich eine gleiche Anzahl von Schiffen in Bau zu geben,
und zwar wurde das jährliche Bautempo auf 2 Linienschiffe, 1 großen
Kreuzer, 3 kleine Kreuzer festgesetzt. Eine parallel laufende planmäßige
Steigerung der Indiensthaltungen, im besonderen der möglichst beschleunigte
organisatorische Aufbau der Schlachtflotte, mußte in den Berechnungen
vorläufig außer Acht gelassen werden, da eine dem anwachsenden Schiffs-
bestande entsprechende Steigerung der Indiensthaltungen für die Jahre
1905 bis 1910 so hohe Bedarfszahlen für die „Fortdauernden Ausgaben“
ergeben hätte, daß die Flottenvorlage ohne neue Steuern nicht durchführbar
gewesen und infolgedessen aufs äußerste gefährdet worden wäre. Nach den
bisherigen Absichten soll dem Reichstage im Winter 1904/1905 eine Novelle
zum Flottengesetze vorgelegt werden. Der Inhalt der Novelle selbst wird
sich zwar nur auf die zahlenmäßige Vermehrung der Auslandsschiffe er-
strecken, die beizufügende Begründung aber wird 1. den Schiffsbauplan für
die nächsten 5 Jahre (1906 —1910), 2. einen Ueberblick über die Entwicke-
lung der Gesamtkosten der Marine innerhalb dieser Bauperiode (1906 bis
1910) geben müssen. Falls im Winter 1904/5 die finanziellen und inner-
politischen Verhältnisse des Reiches dies irgendwie gestatten, wird man den
Versuch machen müssen, in der vorzulegenden Begründung zur Flotten-
novelle, die planmäßige Entwickelung der Indiensthaltungen in den Jahren
1906 —1910 dem wachsenden Schiffsbestand und dem zu beschaffenden Be-
rufspersonal anzupassen und zu diesem Zwecke eine ausreichende Steigerung
der „Fortdauernden Ausgaben“ in den Berechnungen vorzusehen. Eine
wie hohe jährliche Steigerung der „Fortdauernden Ausgaben“ seinerzeit
in der Reichstagsvorlage in Aussicht genommen werden kann, ist eine
etatspolitische Frage, deren Entscheidung vorbehalten bleiben muß. Von
größter Wichtigkeit aber ist es, baldmöglichst klare Anschauungen darüber
zu gewinnen, welche Steigerung der Indiensthaltungen nach Maßgabe des
zu beschaffenden Berufspersonals bis zum Jahre 1910 einschließlich bei
normaler Entwickelung möglich ist, und welche Geldmittel dazu erforderlich
sind. Zu diesem Zwecke ersuche ich, im Einvernehmen mit den anderen
beteiligten Gruppen des Hauses: 1. einen Indiensthaltungsplan nach Maß-
gabe des 1910 verfügbaren Schiffsbestandes und des bis 1910 bereit zu
stellenden Berufspersonals (Kapitel 52), 2. den Gesamtbedarf an Militär-
personal (Kapitel 51) zur Durchführung dieses Indiensthaltungsplanes auf-
zustellen und mir vorzulegen. Als Muster für den Indiensthaltungsplan
ist der alljährlich für den Etat aufgestellte Indiensthaltungsplan unter
namentlicher Aufführung der einzelnen Schiffe bezw. Angabe des Schiffs-
typus zu benutzen, damit nach diesem Plan Kapitel 52 berechnet werden
kann. Eine Schiffsliste der im Jahre 1910 dienstbereiten Schiffe liegt bei.
Bei Aufstellung derselben ist angenommen, daß 1. das jetzige Bautempo
von jährlich 2 Linienschiffen, 1 großen Kreuzer und 3 kleinen Kreuzern
auch von 1906 1910 beibehalten wird, 2. Linienschiffe und große Kreuzer
5 Jahre, kleine Kreuzer 4 Jahre, Torpedoboot-divisionen 3 Jahre nach