46 Das Ventsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 3.)
von uns in China erworbene wirtschaftliche und politische Position auch
weiter zu behaupten. Ich darf bei diesem Anlaß vielleicht daran erinnern,
daß die verbündeten Regierungen gegenüber manchen Zweifeln und Be-
denken auch den richtigen Augenblick gefunden haben, um unser Expeditions-
korps in China zu reduzieren. Wenn wir der im vorigen Jahre in
Deutschland grassierenden Chinamüdigkeit nachgegeben hätten, wenn wir
unsere Truppen vorzeitig aus China zurückgezogen hätten, so würden wir
vielleicht anderen eine nicht unerwünschte Möglichkeit geboten haben, sich
dort auf unsere Kosten bequemer zu betten. Wir hätten durch einen solchen
vorzeitigen und überstürzten Rückzug aus China denjenigen gewiß einen
Gefallen erwiesen, die es überflüssig finden, daß Deutschland auch in über-
seeischen Fragen dort mitspricht. Vom Standpunkte deutscher Zukunfts-
interessen aber wäre ein solcher voreiliger Rückzug ein grober Fehler ge-
wesen. Nachdem unser Chinaprogramm in allen wesentlichen Punkten
erfüllt ist, sind unsere Truppen, re bene gesta, optime gesta, mit unseren
Schiffen wieder nach der Heimat zurückgekommen, und bis auf eine Brigade
hat Herr Richter seine Legionen wieder. (Heiterkeit. Zurufe links: die
Millionen!) Die Millionen werden auch noch kommen. Ich wiederhole
aber, wir werden unsere Besatzungsbrigade in China auflösen und zurück-
ziehen, sobald dies die politischen Verhältnisse gestatten. Heute läßt sich
nicht gut übersehen, ob im kommenden Etatsjahre ein Teil der Besatzungs-
brigade entbehrlich sein wird, oder ob durch eine budgetmäßige Verringe-
rung unsere Position in China unerwünschterweise geschädigt wird. Ich
möchte darauf aufmerksam machen, daß bei einem Vergleich der von uns
und den anderen Mächten zurückgelassenen Besatzungen ja nicht vergessen
werden darf, daß England einen in der Nähe gelegenen Stützpunkt in
Indien und Hongkong, die Franzosen in Tongking, die Russen in den
nördlichen Grenzprovinzen, die Japaner in ihrer Heimat haben, während
wir ihn nicht haben. Wir müssen in China so stark sein, daß uns nie-
mand an den Kragen kommt. Endlich ist gesprochen worden von der
deutschen Besatzung in Schanghai. Wir haben nach Schanghai eine Gar-
nison verlegt nach dem englischen Vorgange, um an dem wichtigsten chine-
sischen Handelsplatze die Bemühungen der anderen Mächte in Bezug auf
Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung zu unterstützen und den Inter-
essen der fremden Handelsniederlassungen mit Hilfe des dortigen chinesischen
Vizekönigs Rückhalt zu gewähren. Dieses unser Vorgehen hat keine feind-
liche Spitze gegen andere Mächte, und namentlich hat sich England mit
unserem Vorgehen einverstanden erklärt. Die guten Wirkungen der fremden
Besatzung in Schanghai für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung
am YNangtsekiang sind unverkennbar. Das hat der Abg. Frese in der
Kommission besonders hervorgehoben. Es würde doch sehr gewagt sein,
wenn wir durch ein voreiliges Zurückziehen diese guten Wirkungen aufs
Spiel setzten. Es empfiehlt sich deshalb, unsere Garnison in Schanghai
vorläufig zu lassen, damit der dortige Beruhigungszustand eine größere
Festigkeit erlangt. Von derselben Erwägung werden offenbar auch andere
Mächte geleitet. In Paranthese bemerkt, ist die Behauptung des Abg.
Richter, man wäre ja schon aus China zurückgegangen, nicht ganz richtig;
denn es stehen dort noch 1500 Japaner. Die anderen Mächte sind bis
auf weiteres entschlossen, ihre Garnisonen in Schanghai zu lassen. Ich
meine aber, daß das, was in der tatsächlichen Sicherung ihrer Handels-
interessen den anderen recht ist, auch uns in Ostasien und speziell in
Schanghai billig ist. (Beifall rechts.)
Abg. Gradnauer (Soz.) kritisiert die Reise des Prinzen Heinrich,
die trotz ihrer byzantinischen Verherrlichung die Beziehungen zu Nord-