Vas Penisqhe Reithh und seine einjeluen Glieder. (April 28.) 67
und Verfassungsbestimmungen, daß ohne ein ausdrückliches Gesetz der
Reichstag befugt ist, Geschäfte, die in einer Session begonnen werden, in
der zweiten weiter zu führen. Auch während der Vertagung des Reichs-
tages kann eine Kommission die Geschäfte nicht weiter führen, wenn nicht
durch ein besonderes Gesetz die Ermächtigung dazu erteilt ist und zum
Erlaß eines solchen Gesetzes sollten die verbündeten Regierungen die
Initiative ergreifen, um die weiteren Beratungen möglich zu machen.
Staatsrechtlich sind diese Ausführungen des verstorbenen Abg. Lasker
darum wichtig, weil man es in der Oeffentlichkeit so darstellt, als wären
die Ausnahmegesetze von 1874 und 1876 darum etwas anderes, als das
Gesetz, das wir Ihnen auf Anregung der Kommission jetzt vorlegen; denn
damals wäre durch den Schluß der Reichstagssession für die Kommission
eine ganz eigenartige Organisation geschaffen gewesen, während der Reichs-
tag diesmal voraussichtlich vertagt werden wird, so daß in der Pause die
Kommission diesmal ruhig weiterarbeiten könnte. Aus den angeführten
Worten Laskers aber ersehen Sie, daß dieser staatsrechtlich hervorragend
bewanderte Mann sagte, daß eine Kommission auch während der Vertagung
die Geschäfte des Reichstags nicht fördern kann. Man wird in der Tat
zugeben müssen, daß für die Mitglieder der Kommission, die monatelang,
während der Reichstag vertagt oder geschlossen ist, hier weiter arbeiten
sollen, sachlich vollkommen unerheblich ist, ob der Reichstag nicht versam-
melt ist, weil er vertagt ist, oder weil er geschlossen ist. Das Entscheidende
der Frage liegt auf einem ganz anderen Gebiete: neben seiner Tätigkeit
als Mitglied des Reichstages seine eigenen Geschäfte zu führen, wodurch
es finanziell möglich wird, so lange es notwendig ist, Aufenthalt in
Berlin zu nehmen. Bisher ist das ja noch immer möglich gewesen, aber
wenn Mitglieder des Hauses eine so ungewöhnlich lange Zeit hier in
Berlin festgehalten werden, abgesehen von den Ferien, vom November
vorigen bis in den Juli dieses Jahres, so muß man zugeben, das ist ein
außerordentlicher Fall, der eine außergewöhnliche Beurteilung und außer-
gewöhnliche Maßregeln nötig macht. Es mag in anderen Ländern möglich
sein, daß man auch so lange Zeit die Parlamente oder ihre Mitglieder
zusammenhalten kann, aber wie die Verhältnisse in Deutschland liegen,
haben die meisten Parlamentarier neben der Parlamentstätigkeit noch ernste
eigene bürgerliche Geschäfte, die ihre Anwesenheit erfordern, und wir sind
in Deutschland auch nicht ein so reiches Land, um es von einem beträcht-
lichen Teil der Mitglieder des Hauses fordern zu können, daß sie eine so
ausnahmsweise lange Zeit, und darum handelt es sich hier, dem Berliner
Aufenthalt widmen. Die verbündeten Regierungen betrachten den vor-
liegenden Fall als unpräjudiziert für die Vorschriften der Reichsverfassung,
sie betrachten ihn als einen Ausnahmefall wie den der Jahre 1874 und
1876. Sie sind auf Grund der von mir dargestellten Verhältnisse aller-
dings der Ansicht, daß hier die Dinge so liegen, daß man eine Ausnahme
machen muß auf Grund der Billigkeit. Deshalb sind die verbündeten Re-
gierungen dem Wunsche der Kommission nachgekommen. Ich habe auch
gelesen, ja, man könnte wohl die Kommission zusammenhalten, aber wie
die verbündeten Regierungen und deren Vertreter hier weiter arbeiten
sollen, wäre unklar. In dieser Beziehung können Sie ganz ruhig sein:
Für die Regierungen und ihre Vertreter gilt der kategorische Imperativ
der Pflicht, und die werden wir erfüllen. (Beifall.)
Abg. Singer (Soz.): Nach der wiederholten Forderung allgemeiner
Diäten sei diese Vorlage eine Beleidigung des Reichstags. Abg. v. Levetzow
(kons.): Obwohl seine Partei gegen allgemeine Diäten sei, erkenne sie an,
daß ein Ausnahmezustand vorliege und wolle für die Vorlage stimmen.
57