Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Das Denische Reihh und seine einzelnen Glieder. (Mai 14./15.) 81 
punkte zu berücksichtigen, sondern auch die von dem Bundesrat in dem 
Beschluß vom 2. Juli 1885 hervorgehobenen, auf dem allgemeinen poli- 
tischen Gebiet liegenden Reichsinteressen maßgebend. Wir erachten aller- 
dings die Klärung der staatsrechtlichen Verhältnisse im Interesse und zur 
Beruhigung der Bevölkerung für dringend wünschenswert in dem festen 
Vertrauen, daß die Rechte unseres engeren Vaterlandes, die hier neben 
dem Gesamtinteresse unseres gemeinsamen deutschen Vaterlandes in Frage 
kommen, von den zuständigen Stellen des Reiches gewahrt und gefördert 
werden. 4. Wir erachten es nicht für verträglich mit dem Wohl unseres 
engeren Vaterlandes, auch nicht mit der Pflicht der Dankbarkeit für die 
Opferwilligkeit unseres Regenten, daß, nachdem die Rechte des Herzogs von 
Cumberland wie auch seine derzeitige Behinderung an der Regierung an- 
erkannt sind, immer von neuem die Frage nach der rechtlichen Bedeutung 
der Regentschaft ohne jeden dem Staatsinteresse zu entnehmenden Grund 
aufgerollt und damit Verwirrung und Uneinigkeit in die Reihen unserer 
Mitbürger getragen wird, während Eintracht uns so dringend nötig wäre. 
14./15. Mai. (Wiesbaden.) Depeschenwechsel zwischen dem 
Kaiser und Präsident Roosevelt. Geschenk einer Statue Friedrichs 
des Großen. 
Der Kaiser telegraphiert in englischer Sprache an den Präsidenten 
der Vereinigten Staaten (14. Maiz: 
Ich stehe noch unter dem tiefen Eindruck, welchen der glänzende 
und herzliche Empfang Meines Bruders, des Prinzen Heinrich, durch die 
Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika auf Mich gemacht hat. In 
den Reden, mit denen er begrüßt wurde, ward wiederholt der Tatsache 
Erwähnung getan, daß Mein Ahne Friedrich der Große gegenüber der 
jungen amerikanischen Republik zur Zeit ihrer Entstehung immer eine 
freundliche Haltung bewahrt hat, indem er dadurch den Grundstein der 
guten Beziehungen legte, welche stets zwischen unseren beiden Ländern be- 
standen haben. Dem Mir von dem großen Könige gegebenen Beispiele 
will Ich folgen. Ich möchte die Erinnerung an den Besuch des Prinzen 
Heinrich wach erhalten durch eine Gabe an das amerikanische Volk, die 
Ich Sie bitte, in seinem Namen annehmen zu wollen. Ich beabsichtige, 
den Vereinigten Staaten eine Bronzestatue Friedrichs des Großen zum 
Geschenk zu machen, die in Washington auf einem Platze zu errichten wäre, 
den Sie freundlich auswählen wollen. Möge diese Gabe angesehen werden 
als dauerndes Zeichen der innigen Beziehungen, welche zwischen unseren 
beiden Nationen mit Erfolg gepflegt und entwickelt worden sind. 
Wilhelm, Rkex, Imperator. 
Der Präsident antwortet (15. Mai): 
Ich bin tief empfänglich für Ihr großartiges und freundschaftliches 
Angebot. Ich danke Ihnen herzlich dafür im Namen der Vereinigten 
Staaten und werde es sogleich dem Kongreß vorlegen. Gewiß wird es 
unserem Volke das größte Vergnügen bereiten, aus Ihren Händen eine 
Statue des berühmten Herrschers und Soldaten, eines der größten Männer 
aller Zeiten, Friedrich des Großen, zu erhalten. Eine besondere An- 
gemessenheit liegt darin, daß seine Statue hier in der Stadt Washington, 
der Hauptstadt der Republik, auf deren Geburt er mit solch freundlichem 
Interesse geschaut hat, errichtet werden soll. Aus diesem erneuten Beweis 
Ihrer freundschaftlichen Gesinnung für unser Land danke ich Ihnen in 
dessen Namen. Die Gabe wird hier sicherlich angesehen werden als ein 
erneutes Zeichen der Freundschaft der beiden Nationen. Wir hoffen und 
Europäischer Geschichtskalender. XLIII. 6