108 Das Pentshhe Reith und seine eintelnen Glieder. (Juni 17. 20.)
17. Juni. (Westpreußen.) Zwischen Thorn und Marien-
werder richten Wolkenbrüche großen Schaden an. Der Eisenbahn-
verkehr ist für kurze Zeit unterbrochen.
20. Juni. (Hamburg.) Der Kaiser nimmt teil an der
Enthüllungsfeier eines Kaiser Wilhelm-Denkmals und erwidert auf
die Ansprache des ersten Bürgermeisters:
Es ist Mir oft schon die Aufgabe geworden, großen Städten und
ihren begeisterten Bürgern Meinen Dank zu sagen; nie fand Ich die Auf-
gabe so schwer, für das, was Ich fühle und was Ich gesehen und erlebt
habe, den richtigen, den passenden und erschöpfenden Ausdruck zu finden.
Wenn Ich zunächst als Enkel des großen Kaisers, dessen ehernes Bildnis
die Stadt Hamburg soeben enthüllt hat, sprechen darf, so möchte Ich mit
tiefbewegtem Herzen Meinen Dank dafür abstatten, daß Hamburgs Bürger-
schaft in so glänzender, großartiger und erhebender Weise den Ausdruck
gefunden hat, um ihr Deutschtum und ihre Dankbarkeit dem alten Helden
zu bezeigen. Das hat Meinem Herzen als seinem Enkel wohlgetan und
Mich tief gerührt. Zum anderen aber kann Ich es nicht unterlassen, den
wahrhaft überwältigenden Empfang, den Mir Groß und Klein, Jung und
Alt, Hoch und Niedrig hier hat zuteil werden lassen, hervorzuheben. Die
vielen Tausende von Gesichtern, die Mir heute entgegengeleuchtet haben,
sind Bürge dafür, daß der Gruß Mir aus tiefem Herzen und aus be-
wegtem Gefühl entgegenschallte, und Ich bitte den Senat und die Bürger-
schaft, Meinen herzlichsten, tiefgefühltesten und heißesten Dank entgegen-
nehmen und der Stadt mitteilen zu wollen. Gewiß, die junge Generation,
die heute mit uns das erzene Bild umstanden hat, für sie ist der große
Kaiser schon eine geschichtliche Person, und die Ereignisse, die sich um seine
Persönlichkeit weben, und die Zeit, in der er gewirkt hat, werden schon
in den Büchern beschrieben. Ich glaube, daß Ich wohl nicht zu viel sage,
wenn Ich der Vermutung Raum gebe, daß dereinst in künftigen Jahr-
hunderten die Ehrfurcht gebietende Gestalt Meines Großvaters mindestens
ebenso von Sagen umwogen, so gewaltig und hochragend über alle Zeiten
im deutschen Volke dastehen wird, wie einstens die Gestalt Kaiser Barba-
rossas. Freilich, die jüngere Generation ist jetzt gewöhnt, leichthin das,
was wir das Reich nennen, mit dem, was es uns gebracht hat, als etwas
Selbstverständliches anzusehen, ohne zu bedenken, was es gekostet hat, bis
es dazu gekommen ist. Und Ich glaube, wir erkennen auch hierin wieder
den Finger der Vorsehung, wenn wir auf die Ehrfurcht gebietende Ge-
stalt hinblicken, die dort in stiller Haltung vor dem Rathause steht, in
ihrem Ernst und in ihrer stillen Abgeklärtheit des hohen Alters, daß ge-
rade ihn die Vorsehung auserkoren hatte, um dieses, eines der schwierigsten
Werke auszuführen, die Einigung der deutschen Stämme. Denn niemand
konnte sich dem Zauber der Persönlichkeit, der einfachen Bescheidenheit, der
herzgewinnenden Liebenswürdigkeit des hohen Herrn entziehen, und so war
es ihm vergönnt, umgeben von gewaltigen Paladinen, die, ihm ergeben,
mit ihm arbeiteten, auszugleichen und zu versöhnen an Härten und scharfen
Lagen und immer das Ziel im Auge zu behalten, die Einigung des Vater-
landes. In langer Friedensarbeit, in stiller Werkstatt reiften die Ge-
danken, und fertig waren die Pläne des schon zum Greis gewordenen
Mannes, als die gewaltige Aufgabe an ihn herantrat, als er uns das
Reich wieder erstehen ließ. Ich hoffe, daß die Hamburger Jugend, wenn
sie an dem Denkmal vorbeigeht, nie die Zeit der Vorbereitung vergessen
werde, die dieser hohe Herr durchgemacht hat. Mit Recht erwähnten Sie