122 Des Neutsche Reich und seine einjelnen Glieder. (August Anfang.)
August. Angebliche Verschwörung gegen das Reichstags-
wahlrecht.
Der „Vorwärts“ behauptet, eine Anzahl Abgeordneter anderer
Politiker und Großindustrieller wolle eine Agitation zur Beseitigung des
geheimen und allgemeinen Wahlrechts beginnen, der Führer der Bewegung
sei ein Dr. Giesebrecht in Bayern, der den Aufruf verfaßt habe. — Die
Nachricht wird von vielen bürgerlichen Blättern verspottet; die Vertreter
der Parteien leugnen jede Beziehung zu dem Aufrufe Giesebrechts.
Anfang August. (Elsaß-Lothringen.) Die Regierung
erläßt Bestimmungen über Errichtung eines Arbeitsnachweises, die
am 1. September in Kraft treten sollen.
Die einzelnen Arbeitsnachweisstellen, zur Zeit in Colmar, Mül-
hausen, Markich, Gebweiler, Straßburg, Schlettstadt, Schiltigheim, Saar-
union, Buchsweiler, Zabern, Metz, Diedenhofen und Saargemünd treten
miteinander in telephonischen Verkehr. Die Gebühren für den Fernsprech-
verkehr nach auswärts und ebenso die Abonnementsgebühren für den Tele-
phonanschluß werden auf die Staatskasse übernommen. Die Arbeitsnach-
weisstellen stellen wöchentlich zweimal Nachweisungen darüber auf, wie viele
Nachfragen nach Arbeitern der einzelnen Berufsarten, sowie Arbeitsangebote
von ihnen nicht befriedigt wurden. Diese Nachweisungen werden je am
Dienstag und Freitag ausgefertigt und so rechtzeitig zur Post gegeben,
daß sie noch an jenen Tagen bis 4 Uhr nachmittags sich in der Hand
der Landeszentralstelle für Arbeitsnachweis, die mit der Arbeitsnachweis-
stelle in Straßburg verbunden wird, befinden. Die Landeszentralstelle
überträgt den Inhalt von Nachweisungen sofort in eine gemeinsame Liste
und übersendet die vervielfältigten Abdrücke noch an demselben Tage an
die einzelnen Arbeitsnachweisstellen des Landes, an die sämtlichen Kreis-
und Kantonstädte, woselbst sie durch öffentlichen Anschlag ungesäumt zur
Kenntnis der stellensuchenden Arbeiter gebracht werden, an die Redaktion
der Landwirtschaftlichen Zeitschrift in Straßburg, an die badischen, würt-
tembergischen und pfälzischen Hauptarbeitsnachweisstellen und an solche
kleinere Gemeinden, für die es besonders gewünscht wird. Direkte An-
fragen werden von der Landeszentralstelle gleichfalls erledigt. Der Ver-
walter der Landeszentralstelle erhält eine feste Vergütung aus Staats-
mitteln, desgleichen die Beamten, welche die Nachweisungen ausfstellen.
Die Portokosten für die Versendung der Nachweisungen und der Listen,
sowie alle sonstigen sächlichen Kosten der Zentralstelle werden von der
Staatskasse getragen. Alle für den Verbindungsdienst und zu statistischen
Zwecken dienende Formulare werden vom Ministerium unentgeltlich ge-
liefert. Jährlich findet einmal eine Zusammenkunft der Verwalter der
Arbeitsnachweisstellen statt behufs Austausches ihrer Erfahrungen und Er-
örterung gemeinsamer Fragen. Hierfür werden Tagegelder und Reisekosten
aus der Staatskasse gewährt.
August. Preßbemerkungen zur Papstwahl und zum öster-
reichischen Veto.
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt (5. Aug.): „Der
neue Papst wird in der deutschen Presse mit Sympathie begrüßt, auf die
er nach seinem durch seine Frömmigkeit, Reinheit, Sitten, Wohltätigkeit,
Milde und Sinnesart ausgezeichneten Vorleben Anspruch hat. Eine Mei-
nung über die politische Richtung des neugewählten Papstes zu äußern,
wäre verfrüht. Der Nachfolger Leos XIII. hegt wohl beim Antritt der