Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

6 Das Deutshe Reithh und seine einzelnen Glieder. (Januar 14.) 
des inländischen Marktes und die Abhängigkeit vom ausländischen Markt. 
Es ist überaus bedauerlich, in welchem Mue die Kaufkraft des inländischen 
Marktes in den letzten Jahren abgenommen hat. Der Eisenverbrauch auf 
den Kopf der Bevölkerung ist seit 1901 bedeutend gefallen und wird sich 
voraussichtlich 1902 auf nur 73 Kilogramm pro Kopf belaufen, während 
er 1897 noch 183 Kilogramm betrug. Der Eisenverbrauch ist also be- 
deutend zurückgegangen, während andrerseits die Fabriken in ihrer erwei- 
terten Produktionsmöglichkeit dastehen. Daraus ergibt sich das schlimme 
Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, das wir in dieser Zeit zu 
konstatieren haben. Andrerseits hat sich die Ausfuhr von Eisenwaren er- 
heblich gesteigert. Im letzten Jahre sind allein 82 Millionen Tonnen 
exportiert worden, während es früher nur 29 bis 30 Millionen Tonnen 
waren. Besonders haben wir nach Amerika exportiert. In dieser Ab- 
hängigkeit von Amerika insbesondere liegt ein dunkler Punkt, zumal man 
nicht weiß, wie sich die Zollverhältnisse mit Amerika gestalten werden. Die 
Möglichkeit liegt vor, daß in Amerika ein Rückgang der Konjunktur ein- 
tritt. Es blieb ein erhebliches Defizit auch nach dem jetzigen Anschlag 
übrig. Nach den Anträgen der einzelnen Ressorts hätte das Defjzit 
231 Millionen Mark betragen. Es bedurfte einer ganz energischen Ein- 
wirkung der Finanzverwaltung, um den Fehlbetrag im neuen Etat auf 
72 Millionen Mark herabzumindern. Jedes Ressort kämpft um seine For- 
derungen, wie eine Löwin um ihre Jungen. Ich habe das Bedürfnis, 
hier den Herren der Finanzverwaltung ein Wort des Dankes zu sagen für 
ihre hingebende Arbeit. Diese Herren sind es sonst nicht gewohnt, Dank 
und Anerkennung zu finden. Ich erinnere Sie daran, wie außerordentlich 
wir in den letzten Jahren die Dispositionsfonds der Betriebsverwaltungen 
gespeist haben. Besonders gut sind die Eisenbahnen weggekommen. Auch 
im Etat für 1903 finden Sie wieder erhebliche Beträge zur Schulden- 
tilgung vorgesehen. Ich halte den gesetzlich eingeführten Zwang zur 
Schuldentilgung für eine erhebliche Verbesserung der gesamten Finanzlage. 
Auch für 1903 ist das Extraordinarium wieder reichlich dotiert worden. 
Das Extraordinarium überragt das Defizit noch um 72 Millionen Mark. 
Es handelt sich ja zunächst um werbende Anlagen, und deshalb können 
wir mit Ruhe auch eine neue Anleihe aufnehmen. Redner geht auf Einzel- 
heiten des neuen Etats ein. Auch diesmal hat sich ein Minderertrag bei 
der Domänenverpachtung ergeben von insgesamt 108000 Mark. Wir be- 
absichtigen, auch weiterhin im Westen Domänen zu veräußern und für den 
Erlös im Osten Domänen anzulegen. Dieses Geld ist politisch und wirt- 
schaftlich rentabel angelegt. Wir haben geglaubt, einer Resolution des 
Hauses entsprechen zu müssen, indem wir den Zuschuß für den Bau von 
Arbeiterwohnungen auf den Domänen vergrößerten. Die Forstverwaltung 
wird voraussichtlich keine Mindererträge ergeben. Die großen vom Staat 
in Westfalen erworbenen Grubenfelder werden sich erst im nächsten Jahr 
für den Staat nutzbar machen lassen. Die Bergwerksverwaltung hat natur- 
gemäß auch unter der ungünstigen Konjunktur zu leiden gehabt, aber sie 
steht gegenüber allen Wechselfällen gerüstet da. In Oberschlesien ist die 
Anlage neuer Kohlenschächte vorgesehen, um einem etwaigen Mehrbedarf 
der Industrie alsbald gerecht werden zu können. Bei dem Schmerzens= 
kind unserer Verwaltungen, den Eisenbahnen, ist der Betriebskosffizient in 
den Jahren von 1887—1902 von 54 und 55 gestiegen auf 62 und 63 Prozent. 
Infolge des Rückganges der Eisenbahneinnahmen haben sich auch die Bei- 
träge der Eisenbahnverwaltungen zu den allgemeinen Staatsausgaben er- 
heblich vermindert: hingegen haben sich die eigenen Betriebsausgaben der 
Eisenbahnen erheblich erhöht, wenn wir unch noch so sparsam und wirt-
	        
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