Das Vetsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 3.—6.) 141
demokratie anzuschließen. Die „Preußischen Jahrbücher“ (Bd. 114) sehen
nicht in Bebel sondern in den Revisionisten die Sieger. Bebel habe in
der Fraktion bereits die Herrschaft verloren und deshalb die Streitfrage
vor den Parteitag gebracht, den er mit seiner Leidenschaft fortzureißen
hoffte. Er habe aber nicht gewagt, einen Antrag einzubringen, dem die
Revisionisten nicht zustimmen konnten; somit seien sie in ihren Bestrebungen
ungehindert.
3. Oktober. (Bayern.) Dem Landtage geht ein Entwurf
zur Anderung des Wahlgesetzes zu.
Der Entwurf führt das direkte Wahlrecht ein, die relative Mehr-
heitswahl (mit der Einschränkung, daß der Gewählte ein Drittel der ab-
gegebenen Stimmen auf sich vereinigen muß; andernfalls findet eine Nach-
wahl ohne dies Erfordernis statt), den einjährigen Besitz der Staats-
angehörigkeit als Bedingung der aktiven und passiven Wahlfähigkeit, und
ebenso die einjährige Entrichtung einer direkten Staatssteuer. Weiter wird
an der Leistung des Verfassungseides als Bedingung für das aktive Wahl-
recht festgehalten. Das aktive Wahlrecht beginnt mit dem 25. Lebensjahre,
das passive mit dem 30. Die Abgeordnetenzahl wird auf 163 erhöht (bis-
her 159); auf 38000 Einwohner kommt ein Abgeordneter (bisher 31500).
Die Mandate werden auf die Landesteile folgendermaßen verteilt: Es
haben Abgeordnete nach
geltendem Rechte dem Entwurf
Oberbayern
Niederbayern 20 18
Pfalz 20 22
Oberpfalz 16 15
Oberfranken 18 16
Mittelfranken 19 21
Unterfranken 19 18
Schwaben 19 , 19
159 163
4. Oktober. (Hamburg.) Der Parteitag der deutsch-sozialen
Reformpartei fordert nach Vorträgen der Abg. Liebermann v. Sonnen-
berg und Raab den Schutz des Reichstagswahlrechts und den Aus-
bau des Koalitionsrechts und der Versicherungsgesetze.
Anfang Oktober. Der Norddeutsche Lloyd und die Hamburg-
Amerika-Linie kündigen das Abkommen über die überfahrtspreise
der den Ozean befahrenden Linien.
5./6. Oktober. (Bayerische Abgeordnetenkammer.) Inter-
pellationen und Debatte über die Verstaatlichung der pfälzischen
Bahnen.
Abg. Hammerschmidt (lib.) bringt folgende Interpellation ein:
Aus welchen Gründen hat die kgl. Staatsregierung von der für den Ab-
lauf der Zinsgarantiezeit in Aussicht gestellten Verstaatlichung der Pfäl-
zischen Bahnen abgesehen? Hat die kgl. Staatsregierung nun trotzdem
die Absicht, für den weiteren Ausbau des pfälzischen Bahnnetzes Sorge zu
tragen und in welcher Weise soll dies geschehen? Ist die Verstaatlichung
überhaupt noch beabsichtigt und innerhalb welcher Zeit? Die Begründung