Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

144 Das NVerische Reich und seine einzelnen GSlieder. (Olt. 15. /Nov. 4.) 
eigneten jüngeren Geistlichen Gelegenheit zu geben, während einiger Jahre 
ihre Begabung für das Lehramt zu erproben und, falls sie nicht definitiv 
dafür berufen werden, in den Kirchendienst zurückzukehren. Ebenso ein- 
mütig stimmte das Kollegium der Ansicht zu, daß eine weitere Aufnahme 
der von der 1., 2. und 3. Generalsynode gegebenen Anregungen wegen 
wirksamerer Geltendmachung des kirchlichen Interesses an der Besetzung 
der theologischen Professuren nicht in Aussicht zu nehmen sei. Der evan- 
gelische Oberkirchenrat ist hierauf mit dem Minister in Verbindung getreten 
und hat sich bereit erklärt, falls dieser geneigt sein würde, einigen jüngeren 
Geistlichen, die ihre Befähigung durch das Lizentiatenexamen und litera- 
rische Leistungen nachgewiesen haben, die Habilitation in einer theologischen 
Fakultät zu erlangen, für zwei bis drei Jahre bescheidenen Unterhalt be- 
hufs ihrer Erprobung im akademischen Lehramt zuzusichern, ihnen, falls 
sie in den Kirchendienst zurückzukehren wünschen, zur Anstellung im geist- 
lichen Amt behilflich zu sein, auch die Zeit, welche sie als Universitäts- 
lehrer zugebracht, auf ihr kirchliches Dienstalter anzurechnen. Der Minister 
hat darauf geantwortet, daß er gern bereit sei, der Frage der probe- 
weisen Heranziehung jüngerer wissenschaftlich tüchtiger Geistlichen zum aka- 
demischen Lehramt näher zu treten und hat eine nähere Erörterung der 
Angelegenheit im Wege der kommissarischen Beratung vorgeschlagen. Diese 
hat stattgefunden und zu einer Verständigung über den einzuschlagenden 
Weg geführt. Eine abschließende Vereinbarung ist noch nicht erfolgt. 
Am 17. Oktober beschließt die Synode, daß die landeskirchlichen 
Pastoren über jede von ihnen vollzogene Proselytentaufe an das Provinzial- 
konsistorium berichten und zugleich angeben müssen, in welcher Weise die 
Vorbereitungen zur Taufe stattgefunden haben. 
Am 19. Oktober berät die Synode die Anträge einer Provinzial- 
synode über die Besetzung der theologischen Professuren. Berichterstatter 
Professor Haupt: Sämtliche Anträge forderten größere Bürgschaften für 
die Kirchlichkeit der neu zu berufenden Professoren. Theologie und christ- 
licher Gemeinglauben könnten unter Umständen in eine Art von Spannung 
geraten. Diese werde besonders groß sein in Zeiten großer geistiger Re- 
volution. In einer solchen Zeit leben wir, da so viele neue Erkenntnisse 
auf dem Gebiete der Naturwissenschaft und Geschichte sich durchdringen, 
da sich eine ganz neue, die sogenannte moderne Weltanschauung heraus- 
bildet mit dem Anspruch, daß sie allein die richtigen Schlüsse aus diesen 
Erkenntnissen ziehe, die durchaus im Widerspruch stehen zu dem christlichen 
Glauben. Dadurch sei der Theologie eine sehr schwere Aufgabe erwachsen, 
und es sei nicht zu verwundern, daß sie in diesem Kampf der Geister 
manchmal scheinbar oder wirklich in Widerspruch trete zu dem Inhalt des 
christlichen Glaubens. Es sei ein großes Unrecht, zu glauben, daß Männer 
der Wissenschaft, die solchen Widerspruch erheben, dies in dem Bewußtsein 
tun, daß sie den Christen die Augen öffnen wollen. Ebenso falsch würde 
es sein, zu glauben, daß solche Männer aus ihrem eigenen Gewissen heraus 
sich zwingen lassen müßten, aus ihrem theologischen Hehramt auszuscheiden, 
denn sie seien sich durchaus nicht bewußt, Zerstörer des christlichen Glau- 
bens zu sein. Darum fordere er in Rücksicht auf die Erklärung des Ober- 
kirchenrats Uebergang zur Tagesordnung über die Anträge. — Entgegen 
seinem Vorschlage werden die Anträge an eine Kommission verwiesen. 
Am 27. Oktober faßt die Synode folgenden Beschluß über die Be- 
Bekämpfung der Prostitution: Die Generalsynode ist durch die Wahr- 
nehmung, daß die Sünde der Unzucht in Stadt und Land weiter um sich 
greift, aufs schmerzlichste bewegt. Sie ist durchdrungen von der Ueber- 
zeugung, daß der Verfall unseres Volkslebens unaufhaltsam ist, wenn
	        
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